Es waren die härtesten Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die nach der Ukraine-Invasion beschlossen worden sind. Zunächst ist der Rubel auch auf weniger als einen US-Penny gefallen. Nur drei Monate später hat die russische Währung eine erstaunliche Trendwende vollzogen. Seit Jänner hat der Rubel gegenüber dem Dollar um 40 Prozent zugelegt. Das ist höchst ungewöhnlich.

Die Nachfrage nach dem Rubel ist gestiegen

Normalerweise würde ein mit internationalen Sanktionen belegtes Land, das sich überdies im Krieg befindet, die Flucht der Investoren samt permanentem Kapitalabfluss erleben. Der Verfall der Währung wäre unvermeidlich. Doch diesmal ist das anders: Die Nachfrage nach dem Rubel steigt, und das treibt seinen Wert weiter in die Höhe.

Die Konsequenz: Russland ist teilweise vor den harten Wirtschaftsstrafen der westlichen Länder geschützt. Höchst ungewiss ist aber, wie lange dieser Schutz anhalten wird.

Russland profitiert von steigenden Öl- und Erdgaspreisen

Der wichtigste Grund für die Widerstandsfähigkeit sind die steigenden Rohstoffpreise. Nach Russlands Einmarsch in die Ukrine  stiegen die ohnehin schon hohen Öl- und Erdgaspreise noch weiter an. “Die Rohstoffpreise sind derzeit himmelhoch, und obwohl das Volumen der russischen Exporte aufgrund von Embargos und Sanktionen zurückgegangen ist, gleicht der Anstieg der Rohstoffpreise diesen Rückgang mehr als aus”, sagte Tatiana Orlova, leitende Ökonomin für Schwellenländer bei Oxford Economics, gegenüber CBS.

Russland nimmt jeden Monat fast 20 Milliarden Dollar durch Energieexporte ein. Seit Ende März sind viele ausländische Käufer der Forderung nachgekommen, für Energie in Rubel zu bezahlen, was den Wert der Währung ebenso in die Höhe getrieben hat.

Moskau verhindert mit aggressiven Methoden Währungsabfluss

Gleichzeitig haben die Sanktionen des Westens und eine Abwanderungswelle von Unternehmen zu einem Rückgang der Importe geführt. In den ersten vier Monaten des Jahres stieg der russische Handelsbilanzüberschuss – die Differenz zwischen Exporten und Importen – auf einen Rekordwert von 96 Milliarden Dollar. “Während die Importe eingebrochen sind, sind die Exporte in die Höhe geschnellt”, sagte dazu Orlova.

Darüber hinaus hat Moskau mit ungewöhnlich aggressiven Maßnahmen verhindert, dass Geld das Land verlässt. Die russische Zentralbank hat den Rubel mit strengen Kapitalkontrollen gestützt, die den Umtausch in andere Währungen erschweren. Dazu gehört auch ein Verbot für ausländische Inhaber russischer Aktien und Anleihen, Dividendenzahlungen aus dem Land zu nehmen.

“Das war früher eine bedeutende Quelle für Währungsabflüsse aus Russland – jetzt ist dieser Kanal geschlossen”, sagt Orlova.

Ausländische Unternehmen nehmen keine große Mengen Bargeld mit

In der Zwischenzeit müssen russische Exporteure die Hälfte ihrer überschüssigen Einnahmen in Rubel konvertieren, was die Nachfrage nach der Währung erhöht. Darüber hinaus, so Orlova, ist es für ausländische Unternehmen äußerst schwierig, ihre russischen Investitionen zu verkaufen, was ein weiteres Hindernis für die Kapitalflucht darstellt. „Obwohl es immer wieder Ankündigungen gibt, dass westliche Unternehmen Russland verlassen, müssen sie ihre Anteile oft einfach an ihre lokalen Partner übergeben. Das bedeutet nicht, dass sie einen fairen Preis für ihre Anteile erhalten, so dass sie keine großen Mengen an Bargeld aus dem Land abziehen“, sagte sie.

All diese Faktoren führen zu einer Nachfrage nach Rubel, wodurch der Wert der Währung steigt. Eine starke Währung bedeutet jedoch nicht, dass Russland gegen wirtschaftliche Probleme immun ist. Die Erholung des Rubels und die Stärke der russischen Ölexporte haben die Sanktionen gegen die russische Wirtschaft nach Ansicht von Experten vorübergehend abgefedert. Der Effekt dürfte aber nur von kurzer Dauer sein.