Wirtschaftsexperten klagen schon seit längerem: Die meisten Politiker haben von Volkswirtschaft keine Ahnung. Zumindest auf das grundlegende Gesetz von Angebot und Nachfrage, das auch die Preise bestimmt, sollten sie achten. Tun sie das nicht, scheitern auch ihre wirtschaftspolitischen Pläne – wie im Falle der Sanktionen gegen Russland. Darauf weist nun der deutschen Journalist Gabor Steingart in dem von ihm herausgegebenen „Steingarts Morning Briefing“ hin.

Der Medienunternehmer zählt mehrere verblüffende Fakten auf, mit denen man in der EU und in den USA so sicher nicht gerechnet hat, als man die Sanktionen beschlossen hat.

Höhere Energiepreise bescheren Moskau kräftigen Exportüberschuss

Was überhaupt nicht bedacht wurde: Die Boykott-Beschlüsse haben die Energiepreise Russlands in die Höhe getrieben. Wird ein Angebot knapp – im konkreten Fall Gas und Öl – steigen nämlich die Preise bei gleichbleibender Nachfrage. So erging es in Folge der Sanktionen vor allem dem Westen, mit einer bemerkenswerte Konsequenz für Russland: Es hat mit weniger Öl- und Gasexporten sogar besser verdient.

Ein Jahr später darf sich Moskau über einen kräftigen Exportüberschuss freuen. Im Übrigen interessieren sich sämtliche Länder weiterhin für russische Rohstoffe. „Kaum hatte der Westen seine Öl- und Gasbezüge eingestellt, sprangen neue Abnehmer ein“, kommentiert Steingart. Laut Bloomberg fließen rund 2,5 Millionen Barrel Öl pro Tag an die Türkei, China, Indien und viele afrikanische Staaten. Auch Europa kommt bis heute nicht ohne russisches Gas aus – Sanktionen hin oder her.

Stabiles Finanzsystem, stabile Wirtschaft

Eine weitere Folge: Das russische Finanzsystem ist nicht zusammengebrochen, obwohl es aus dem Internationalen Zahlungsverkehrt SWIFT ausgeschlossen wurde. „Im Verlauf des Krieges wurde der Dollar gegenüber dem Rubel sogar schwächer – die russische Währung notiert derzeit rund 9,6 Prozent über dem Vorkriegsniveau“, berichtet Steingart und verweist auf den Wechselkurs. Das liegt ebenfalls Russlands Leistungsbilanz, zu der vor allem die gestiegenen Energiepreise beigetragen haben.

Die russische Volkswirtschaft erlebt einen Einbruch – so wie der Westen. Doch nach den Prognosen des Welwährungsfonds (IWF) wird es nun wieder wachsen, zunächst um magere 0,3 Prozent im Jahr 2023, dann deutlich stärkte im Jahr 2024. Russlands Ex-Finanzminister Sergej Alexaschenko erklärte her: 2023 werde „ein schwieriges Jahr“ für die russische Wirtschaft, aber kein Zusammenbruch.

Für Apple und Samsung sprangen chinesische Hersteller ein

Apple und Samsung haben sich zwar vom russischen Mark zurückgezogen, „die Lücke füllen aber inzwischen chinesische Hersteller wie Xiaomi, Realme und Honor“, berichtet Steingart. Dasselbe gelte für Waschmaschinen und Industriegüter, wo Produkte aus der Türkei und vor allem China umso zahlreicher in die Russische Föderation geliefert werden. „Insgesamt erreichten die chinesischen Exporte nach Russland im Dezember ein Rekordhoch und trugen dazu bei, den starken Rückgang im Handel mit Europa auszugleichen.“

Darüber hinaus fanden die Smartphones von Apple und Samsung auf Umwegen wieder zurück nach Russland. Wie der eXXpress bereits berichtete, nahmen es die Firmen mit den Sanktionen doch nicht so ernst. Gemäß einer Studie von Simon Evenett und Niccolò Pisani haben sich von 1404 Konzernen, die vor dem Krieg 2405 Tochterunternehmen in Russland betrieben, nur 120 mindestens eine Niederlassung vor Ort komplett abgeschrieben und veräußert.

Steingart hält abschließend fest: „Die unsichtbare Hand des Marktes lässt sich nicht fesseln, wie wir am Beispiel Russlands sehen und aus dem kriminellen Treiben der Menschenhändler, der Drogenbarone und Waffenschieber ohnehin wissen.“