Die Regierungsumbildung und die rasche Abfolge von drei Bundeskanzlern lenkt den Blick auf ein Problem, das wir schon länger haben, das aber durch die Gräben zwischen den Lagern noch drastisch verschärft wird: Welcher begabte, engagierte, womöglich in einem Beruf erfolgreiche, kluge und gebildete Mensch will eigentlich in diesem Land überhaupt noch Politiker werden? Österreich lebt mit einer negativen Auslese in der Politik – und das kann unserem Land nicht guttun.

Die Wahrheit über das Leben als Teil der Polit-Elite

Was blüht denn jemandem, der an die Spitze kommt? Er wird gleich einmal prophylaktisch mit einem Kübel verbaler Jauche übergossen. Das ist schon der politisch-mediale Willkommensgruß: Alle fangen sofort an, tief hinunter in die Archive zu graben, ob dem neuen Spitzenmann nicht doch einmal ein Wort entschlüpft ist, das man ihm vorhalten kann.

Der politische Spitzenjob verlangt einen Einsatz, der bis in die späte Nacht und übers Wochenende geht – dafür ist das Gehalt (im Vergleich mit Managergehältern) nicht überschießend und trotzdem bekommt der vom Steuerzahler Besoldete ständig zu hören, dass er zu viel verdient (was der jungen Staatssekretärin schon vorgehalten wurde, bevor sie noch einen Tag im Amt war).

Warten auf den ÖVP-Showdown: Die Messer werden gewetzt

Karl Nehammer erlebt das Willkommensritual gerade – er wird ausgetestet (siehe ORF/Puls4-Interview) in der Hoffnung, er könnte sich verheddern. Und die Parlamentsparteien wetzen schon die Messer für den großen ÖVP-Showdown. Sebastian Kurz war ein seltenes politisches Talent, das die Schwächen der Mitbewerber noch stärker hat heraustreten lassen, darum musste er weg – mit Hilfe der Staatsanwaltschaft.

Jetzt muss die ganze ÖVP weg – oder zumindest der neue Kanzler fallen (das ist mittlerweile die einzige „politische“ Beschäftigung, zu der Abgeordnete in der Lage sind. Auch das kann man Arbeit nennen).

Und dann? Wie sieht denn das alternative Angebot aus, wen sollen die Österreicher wählen?

Die Qual der Wahl

Eine unpolitische SPÖ-Ärztin, die außer dem Willen, jede Menge Steuergeld-Geschenke zu verteilen, noch keinen politischen Gedanken ausformulieren konnte? Die flankiert wird von ideologischen Größen wie Kai Jan Krainer oder Jörg Leichtfried, die nur schlecht gespielte Empörung, aber keine politisch ernstzunehmenden Alternativen anzubieten haben?

Oder einen rabiaten FPÖ-Chef, der nur Polarisierung und den Aufruhr auf der Straße will?

Die Neos, die sich als Oberg’scheiterln präsentieren und auf Knopfdruck ohne Nachzudenken bei jedem Thema alles zu wissen vorgeben, dass es vor Altklugheit nur so trieft?

Und die Grünen, haben sie Personalreserven? Ministerinnen, die das Recht brechen wie Leonore Gewessler, den Rechtsstaat verbiegen wie Alma Zadic, ein Gesundheitsminister, der nicht einmal sein Arztwissen einzubringen versteht, und ein Vizekanzler, der schon mehr als verbraucht wirkt: Sind das Alternativen?

Wir brauchen Politiker – und zwar die besten

Es war so einfach, „die“ Politiker so lange zu beschimpfen, zu kriminalisieren, lächerlich zu machen. Alle haben mitgemacht: Die Medien, die Öffentlichkeit, die Politiker selbst. Jetzt haben wir eine Atmosphäre, in der sich wohl niemand mit Format mehr freiwillig in diesen Beruf begeben wird. Wer will schon unablässig bespuckt, verunglimpft, vernadert und Neid- und Hasstiraden ausgesetzt werden?

Wir brauchen aber Menschen, die sich einsetzen, die Leadership zeigen, die Ideen und Vorstellungen umsetzen können, die etwas für das Land wollen, die sich mit Argumenten und nicht mit Hass oder Herabwürdigung mit anderen auseinandersetzen. Wir brauchen Menschen, die für die Gemeinschaft und das Land und nicht zur Befriedigung der eigenen Eitelkeit arbeiten. Vielleicht finden sie sich wieder, wenn es gelingt, das Klima in unserem Land zu verändern: Derzeit ist es von Hass und Verachtung überhitzt. Wenn diese negativen Emotionen wieder abkühlen, dann haben wir eine Chance. An diesem Klimawandel können wir alle mitwirken. Demokratie lässt sich nicht ohne Parteien und Politiker machen. Es sollten die besten sein.