Höchste Instanzen – der Bundespräsident etwa und die Richter-Präsidentin – erklären sie als Beleidigung, Missachtung und Verhöhnung des Rechtsstaats. Dabei ist es wesentlich für eine demokratische Republik, dass nichts „heilig“ ist, dass Kritik auch an Institutionen keine Majestätsbeleidigung ist, und dass gerade die ernsthafte Auseinandersetzung mit kritischen Stimmen zur Verbesserung aller Institutionen beitragen kann.

Wenn die Parteien nicht verstehen wollen, dass ihre Liebe zur Schlammschlacht niemandem Vorteile bringt und die Wähler nur vertreibt, dann hat der alte Herr in der Hofburg schon Recht, wenn er Respekt und gute Manieren einfordert. Wenn er aber meint, dass man die Institutionen Parlament, U-Ausschuss, Regierung oder Verfassungsgerichtshof nicht kritisieren, sondern „in Ruhe arbeiten“ lassen soll, dann muss man ihm vehement widersprechen.

Genauso wie Kritik an parteilichen Positionen eines Bundespräsidenten nachgerade notwendig ist, müssen auch Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs kritisiert und diskutiert werden können. Es gibt in Österreich niemanden, der papstgleich unfehlbar ist. Auch nicht eine Handvoll Höchstrichter oder der Träger eines vom Wähler geborgten Amtes.

In einer Demokratie schützt Status nicht vor kritischer Beurteilung. Es ist auch nicht Bürgerpflicht, allen Institutionen blind Respekt zu zollen. Im Gegenteil. „Das Volk“ hat das Recht und die Macht, alle Amtsträger und Institutionen-Vertreter zu beurteilen und abzuwählen. Und die Institutionen müssen sich den von van der Bellen eingeforderten Respekt erst einmal verdienen.

Jegliche Kritik als Angriff denunziert

Wenn laut Eurobarometer vom April mehr als die Hälfte der Österreicher dem Parlament nicht vertraut, hat das in erster Linie mit dem Agieren der Parlamentarier selbst zu tun. Wir sollen sie in Ruhe arbeiten lassen? Da muss man sich bei einem Blick auf den U-Ausschuss fragen: Ist Dreck schleudern und mit Anzeigen wacheln schon Arbeit, die Ruhe und Respekt verdient?

(Dass der Bundespräsident bei seiner Mahnung zur Friedhofsruhe auch die Medien unter die Institutionen reiht, die man in Ruhe arbeiten lassen soll, ist hoffentlich nur ein lächerlicher Irrtum gewesen. Weder die Kronenzeitung noch der ORF stehen über irgendjemandem in diesem Land.)

Noch verwunderlicher als diese mahnenden Missverständnisse des Staatsoberhaupts sind die Aussagen der Richterpräsidentin Matejka. Sie rückte in letzter Zeit mehrfach aus, um jegliche Kritik an der Staatsanwaltschaft als rechtsstaatlich bedenklichen Angriff auf die „unabhängige Justiz“ zu denunzieren. Nun ist erstens die Staatsanwaltschaft nicht unabhängig, sondern weisungsgebunden. Und zweitens ist in einer Demokratie auch die Kritik an Organen und Urteilen „der Justiz“ erlaubt. Auch ist es zu wenig, pauschal den „Respekt vor dem Rechtsstaat“ einzufordern und damit Kritik verbieten zu wollen. Weder ein Staatsanwalt, noch ein Richter sind „der Rechtsstaat“ und daher sakrosankt. Sie zu kritisieren, wenn es dazu Anlass gibt, steht jedem Bürger und – soviel Fairness muss sein – auch jedem Politiker zu.

... und weg ist der Minister

In dem Tohuwabohu, das die geballte Opposition als Politikersatz veranstaltet, leidet aber nicht nur das Recht auf Kritik und damit die Meinungsfreiheit. Auch die Unschuldsvermutung wird mit dem Schlachtruf „Kurz muss weg“ zu Grabe getragen – und dankenswerter Weise hat der Bundespräsident daran erinnert.

Ob die pinke Frontfrau weiß, was es heißt, wenn sie krakeelt: Bei Anklage Rücktritt? Es heißt nichts anderes, als dass von nun an jeder anonyme Anzeiger, jeder fintenreiche Oppositionspolitiker und jeder übereifrige Staatsanwalt darüber entscheiden können, wer in einer Regierung sitzt. Hübsche kleine Anzeige – und weg ist der Minister.

Es ist einfach, wie am Fließband Anzeigen zu fabrizieren, bei denen nichts herauskommt – das konnte man bei Peter Pilz lernen, der als erster damit Politik und leider auch Schule machte. Wer wider besseres Wissen das Prinzip Pilz über das Prinzip Unschuldsvermutung stellt, der sollte die Verfassung umschreiben. Der erste Satz müsste dann nämlich heißen: Die Macht geht vom Denunzianten aus.

Unbeeindruckt von dystopischen Meinungstrends und spitzzüngig gegen Nonsense-Gerede artikuliert sich auch Ruth Pauli (70). „Erst denken, dann twittern“, warnte die Autorin und langjährige ehemalige Innenpolitik-Redakteurin einmal. Schon früh blickte die gebürtige Wienerin über den österreichischen Tellerrand, ihre Studien- und Forschungsjahre führten sie in die USA, die Sowjetunion und nach Frankreich. Nach der Promotion über russische Literatur arbeitete sie unter anderem bei der „Wochenpresse“, der „Presse“ und dem „Kurier“. Sie brachte mehrere Bücher heraus, ob als Übersetzerin, Autorin oder als Herausgeberin.