Es gibt zu viele Impfverweigerer im Land? Da ist er schon, der Bestechungs-Hunderter, der’s richten soll. Normalerweise soll dieser warme Geldregen ja Wählerstimmen verschaffen – man erinnere sich nur an Christian Kerns „Pensionisten-Hunderter“. Hat nicht viel genützt, die teure Stimmkauf-Aktion. Man lässt sich eben nicht gern für dumm (ver)kaufen.

Beim Impf-Hunderter jetzt zeigt seine Erfinderin, die SPÖ-Chefin Rendi-Wagner, was sie von der Intelligenz der Impfverweigerer hält: nämlich genau nichts. Es mag schon stimmen, dass Fake News deren Entscheidung beeinflussen. Aber warum sollten ihnen 100 Euro ihre ernst zu nehmenden Ängste abkaufen können (und warum nur 100 und nicht 1000)? Gerade als Ärztin müsste sie andere Wege kennen, Zweifler zu überzeugen.

Freilich, sehr intelligent ist auch der Vorschlag an sich nicht: Wenn Rendi die Verweigerung des Stichs als Verhalten sieht, das der Gemeinschaft schadet, wieso will sie es dann mit dem Hunderter belohnen? Und ist ihr nicht klar, dass beim nächsten Mal, wenn Impfbereitschaft gefragt ist, viele mit dem Stich so lange warten werden, bis der 100er ausbezahlt wird?

Angst vor dem Wähler

Im Echo-Raum des ORF-Experten für alles, Filzmaier, schallt jetzt wieder das Argument aus der untersten Erklärungsschublade: Die Regierung verkündet keine strengeren Covid-Regeln, weil in Oberösterreich Wahlen bevorstehen. Untätigkeit aus Angst vor dem Wähler: oft gehört, manchmal auch richtig. Aber diesmal ist das für einen Experten eindeutig zu kurz gegriffen: Glaubt er und sein verstärkender Nachsprech-Chor, dass man mit FFP2-Maskenpflicht oder 1-G-Regel wirklich noch drei Wochen warten wird, weil so (wie der Experte meint) das unterbelichtete Wahlvolk die erwünschten Kreuzerln malt – und damit zulässt, dass die Intensivstationen überlastet sind? Bisschen kurz gedacht von manchem Alleswisser. Die Tatsache, dass der Gesundheitsminister sich rührenderweise jetzt schon ums Après-Ski sorgt und dafür die 1-G-Regel ankündigt, ist jedenfalls kein Akt extremen Muts, obwohl die Ankündigung in dieselbe Vorwahlzeit fällt.

Höchste Zeit, dass die Pandemie endet

Und – um endlich das Corona-Thema zu wechseln – muss sich Österreich wirklich eine Festrede zur Wiedereröffnung des renovierten Burgtheaters anhören, wo die weißen Männer, die seit Jahrzehnten hier aufgeführt werden, ihr Fett abbekommen? Das Burgtheater ist so etwas, wie unser „Nationaltheater“ – schon das ein Ausdruck, den man nicht gebrauchen darf. Aber wenn es jetzt auch noch unter aller Kritik ist, dass man in Österreich Schiller, Grillparzer, Shakespeare, vielleicht auch Nestroy, oder Ferdinand Schmalz aufführt, von Schnitzler, Miller, Molière gar nicht zu reden, dann fragt man sich, wofür uns eine „Festrednerin“ hält. Wir unterdrücken keine afro-amerikanischen oder POC-Dichter unseres Landes. Die gibt es nicht. Und sie, mit dem Migrationshintergrund, der ihr zum Glück nicht schadet, hat sogar die Festrede gehalten. Dass das anwesende Publikum als Antwort auf die recht zweifelhaften Vorwürfe auch noch begeistert geklatscht hat, mag dem Umstand geschuldet sein, dass das Publikum aufs Applaudieren konditioniert ist. Und auf Österreich-Beschimpfungen reagieren wir seit Thomas Bernhard ohnehin euphorisch.

Den Europäern zu empfehlen, die „weißen Männer“ endlich nicht mehr aufzuführen, ist eine eigenartige Aussage (sogar, wenn sie von einer Bachmannpreisträgerin stammt), die nicht nur unseren IQ, sondern auch unser Selbstverständnis stark unterfordert. Noch dazu bei der lang ersehnten Wiedereröffnung des Burgtheaters – hätte uns der Herr Direktor nicht einfach mitteilen können, wie er sich mit und für uns freut, dass endlich wieder gespielt wird? Hat er uns wirklich unter der Intelligenzschwelle belehren lassen müssen?

Es wird Zeit, dass die Pandemie endet – auch die virale Neigung, die Menschen für dumm zu halten.

Unbeeindruckt von dystopischen Meinungstrends und spitzzüngig gegen Nonsense-Gerede artikuliert sich auch Ruth Pauli (70). „Erst denken, dann twittern“, warnte die Autorin und langjährige ehemalige Innenpolitik-Redakteurin einmal. Schon früh blickte die gebürtige Wienerin über den österreichischen Tellerrand, ihre Studien- und Forschungsjahre führten sie in die USA, die Sowjetunion und nach Frankreich. Nach der Promotion über russische Literatur arbeitete sie unter anderem bei der „Wochenpresse“, der „Presse“ und dem „Kurier“. Sie brachte mehrere Bücher heraus, ob als Übersetzerin, Autorin oder als Herausgeberin.