Wenn es nicht zum Weinen wäre, dann wär’s zum Lachen: Die vielen Wort- und Bildwitze, die die Grazer Wahl kommentieren, verharmlosen eine Vergangenheit, die alles andere als witzig war. „Stalingraz“ oder der Uhrturm mit Hammer und Sichel als Reaktion auf den Sieg der KPÖ passt in einen Zeitgeist, der immer weniger Hemmungen hat, Freiheit und Demokratie für verzichtbar zu halten.

Elke Kahr, die ein in Westeuropa einzigartiges Wahlergebnis für eine kommunistische Partei einfuhr, ist eine sehr sympathische Frau. Wie ihr Vorgänger Ernest Kaltenegger hat sie mit der empathischen und tatkräftigen Unterstützung von Menschen, die Probleme auf dem Wohnungssektor haben, die Herzen und Stimmen vieler Grazer gewonnen. Und keiner denkt mehr darüber nach, wofür eine kommunistische Partei steht und welche Erfahrungen mit ihren „Mutterparteien“ gemacht wurden.

Es ist noch dazu eine historische Ironie, dass ausgerechnet das Wohnproblem eine kommunistische Partei stark macht – denn die miserable, oft menschenunwürdige Wohnsituation war typisch für den Ostblock. Plattenbauten, die bei Errichtung schon Substandard waren, verordnete 9 Kubik(!)meter Wohnraum pro Kopf, (Zwangs-)Gemeinschaftswohnungen – das war die Realität eines eigentums- und eigentümerfeindlichen Systems.

Wer glaubt, dass das in der Vergangenheit liegt, der sollte nach Berlin schauen: Dort hat ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen am Sonntag 56 Prozent Zustimmung erhalten. Es gibt eine Vielzahl von Gründen für überhöhte Mieten – aber eines ist sicher: Die Enteignung von Wohnraum ist kein Ausweg. Sie führt nur zu immer weiterer Enteignung. Bis endlich wieder der Substandard erreicht ist.

Adieu Demokratie, Comeback für Stalin?

Wenig mehr als 30 Jahre nach Ende des Ostblocks findet sich eine demokratische Mehrheit für Enteignung: Da schrillen die Alarmglocken. Statt ein Problem zu lösen, soll das System gewechselt werden. Adieu Demokratie, Comeback für Stalin?

Denn die Enteigner sind nicht die einzigen. Ein „Systemwechsel“ wird auch bei den Klimabewegten immer häufiger angesprochen.

Die „deutsche Greta Thunberg“ Luisa Neubauer dekretiert: „Zuerst wird man es noch mit demokratischen Mitteln versuchen“. Zuerst. Die österreichische Greta-Großmutter, die Meteorologin Helga Kromp-Kolb, hat immer den notwendigen „Systemwechsel“ gepredigt und ihn jetzt benannt: Planwirtschaft zur Klimarettung.

Wenn es ums Fliegen geht, wird es noch autoritärer. Die deutschen Grünen wollen nur mehr zwei Flugreisen pro Jahr gestatten, andere Klima-Schützer das Flugzeug nur mehr als sichere Migranten-Route zulassen (© NGO „Stay-on-ground“). Und weil die Menschen nicht willig sind, braucht man auch Gewalt: „Human Extinction Rebellion“ hat den Londoner Flughafen mit Drohnen zum Schließen gezwungen. Da werden Menschenleben riskiert, um das Klima zu „retten“ – auch das erinnert an ein anderes „System“.

Aus dem „menschengemachten“ Klimawandel ist längst der „kapitalismusgemachte“ geworden.

Es gibt genügend Auswüchse und Schwachpunkte in unserem Wirtschaftssystem. Es gibt gravierende Umweltschäden, die durch Profitgier, aber auch durch Unbedarftheit, Unwissenheit oder mangelndes politisches Verantwortungsgefühl verursacht wurden. Das hat freilich wenig mit dem „System“ zu tun: Es passierte in besonderem Ausmaß im Ostblock. Aber der ist für die meisten Unter-30-Jährigen genauso wenig real wie das alte Ägypten.

Vielleicht wird Graz die anderen Parteien aufwecken: Es gibt neben der Pandemie-Bewältigung Wichtigeres als Gender-Wahnsinn, U-Ausschuss-Streitereien und Impf-Striptease. Es sind die Probleme der Menschen, die auf eine Antwort warten. Die innerhalb unseres „Systems“ gelöst werden müssen – in einem anderen werden sie nur größer.