Jahrzehntlang hat es in Österreich keine größeren Rechtsreformen gegeben. Und ausgerechnet jetzt, im Windschatten der Pandemie, werden von Justizministerin Alma Zadic einschneidende gesellschaftliche Weichenstellungen vorgenommen, die das Leben von Kindern und das Sterben von Kranken und Alten grundlegend verändern. Ohne die notwendige breite Diskussion, ohne sorgfältige Gesetzesarbeit. Nur: Kann man wirklich Alma Zadic so viel Macht in die Hand geben?

Ein verantwortungsvoller Minister hätte den gesellschaftlichen Konsens gesucht

Monatelang war diese Justizministerin damit beschäftigt, den Rechtsstaat nach ihren ideologischen Vorstellungen zurechtzubiegen. Da sind andere Dinge klarerweise liegen geblieben.

Zum Beispiel die Zulassung der Sterbehilfe, die der Verfassungsgerichtshof vor einem Jahr erzwungen hat. In nur einem Jahr kann hierzulande zwar ein Urteil gegen K.H. Grasser nicht schriftlich ausgearbeitet werden, aber ganz leicht ein Gesetz über eine der größten ethischen Fragen, denen sich Menschen gegenübersehen. Und das Parlament zieht fahrlässigerweise bei dieser Husch-husch-Aktion mit.

Ein verantwortungsvoller Minister hätte nicht nur den parlamentarischen, sondern auch den gesellschaftlichen Konsens gesucht, ausführlich diskutiert und abgewogen, in der Gesetzes-Begutachtung offener reagiert.

Kein Versuch, der Gefahr des sozialen Drucks auf alte Menschen entgegenzuwirken

Der Umgang mit dem Ende des Lebens ist eine der schwierigsten Herausforderungen für eine Gesellschaft, die sich nicht mehr von religiösen Vorschriften bevormunden lässt. Wenn Leben nur mehr Leiden ist – wie geht man damit um, wenn dieses Martyrium nicht mehr das Himmelreich garantiert? Soll dem Leidenden geholfen werden dürfen?

Was Zadic mit Hilfe von Karoline Edtstadler hat absegnen lassen, ist ein bürokratischer Wust für den „assistierten Selbstmord“, der trotzdem noch viele Fragen offen lässt. Die werden wohl wieder erst Gerichte klären müssen, falls es zu strittigen Einzelfällen kommt – nicht unbedingt ein Qualitätszeichen für ein neues Gesetz.

Was aber noch schlimmer ist: Es gibt darin nicht einmal den leisesten Versuch, der Gefahr des sozialen Drucks entgegenzuwirken, der nun auf vielen alten Menschen lasten wird, die sich ohnehin schon oft als Belastung für andere empfinden. Die äußern dann schnell (und fälschlich) den Sterbewunsch vor der Zeit. Das nimmt man in Kauf – kein Wunder, dass die neue Regelung von vielen als Einstieg in die vollständige Freigabe der Sterbehilfe empfunden wird. Und so geht’s dann im Zadic-Stil weiter: Einfach von oben herab, ohne Rücksicht auf die Menschen und ihre Wünsche, Gefühle und Ansichten.

Gemeinsame Obsorge wird getrennten Eltern aufoktroyiert – das klappt nicht

Aber wozu sollen wir uns auch in unsere eigenen Angelegenheiten einmischen? Die Ministerin denkt doch für uns alle.

Jetzt kommen die Frauen und Kinder dran. Denn Zadic setzt die automatische gemeinsame Obsorge getrennter Eltern für ihre Kinder durch. Die Scheidungsrate in Österreich liegt derzeit bei fast 40 Prozent. Kinder sind jetzt schon häufig eine „Waffe“ im Rosenkrieg und werden es noch stärker sein, wenn jeder das machen kann, was er will. Überraschend ist, dass Zadic in dieser Frage ihre Gegner ausgerechnet bei den linken Frauenschutz-Organisationen hat – und die wissen im Unterschied zu der Ministerin, wovon sie sprechen: Gemeinsamkeit lässt sich nicht verordnen – und bezahlen müssen die daraus entstehenden Schwierigkeiten die Schwächsten, nämlich die Kinder.

Mindestbetreuungszeit ab viertem Lebensjahr: Zadic weiß scheinbar, was für Kinder gut ist

Aber der Ministerin reicht das noch nicht. Sie will das Leben der Menschen auch noch so weit regeln, dass sie ab dem vierten Lebensjahr eine „Mindestbetreuungszeit“ von einem Drittel festlegen will. Ob man will oder nicht – sie weiß, was für die Menschen und vor allem für die Kinder gut ist? Da zwingt man kleinen Kindern zwei Wohnsitze auf – und niemand schreit? Wie soll sich da ein Vierjähriger in Ruhe entwickeln können?

Wie lange wird sich Frau Zadic noch ungehindert in Leben und Sterben der Menschen einmischen dürfen, ohne dass der Bundeskanzler ihr Einhalt gebietet? Oder muss er dann fürchten, sich plötzlich als anonym Beschuldigter in den Mühlen des Gesetzes wiederzufinden? Hat Zadic sich mit ihrem zweifelhaften Verhalten in den politischen Verfahren zur allmächtigen Ministerin gemacht? Dann ist es Zeit, sich zu fürchten.