Schaut man sich in Europa um, dann sieht man allenthalben das Elend der Sozialdemokratie. Die einstmals stolzen und staatstragenden Parteien sind vielerorts in einer schicksalshaften Abwärtsspirale. In Frankreich, wo sie noch vor wenigen Jahren den Präsidenten stellten, grundeln die Sozialisten unter 10 Prozent, in Italien ist ihnen die 20-Prozent-Marke zu hoch, in Deutschland droht sie der Wähler auf schmale 17 Prozent zu schrumpfen. Und die Rendi-Wagner-SPÖ hebt auch nicht gerade vom Boden ab.

Irgendwie haben sie alle das gleiche Problem: Sie haben keine mehrheitsfähigen Antworten auf die dringendsten Fragen unserer Zeit – wohl, weil sie sich diese gar nicht erst stellen.

Eine davon spiegelt sich nachgerade im SP-Parteitags-Geschehen: Nicht umsonst werden nämlich die „Verräter“ in den Bundesländern gesucht. Denn die SPÖ positioniert sich zunehmend nicht nur als reine Stadt-Partei, sondern noch dazu als Partei nur für einige Teile der Städter.

Mehrheit nicht unter dem Regenbogen suchen

Wenn ein deutscher Journalist urteilt, die SPD verstehe nicht einmal mehr die Vorstadt-Bewohner, „wo gegrillt wird und nicht gegendert“, dann gilt das für die SPÖ in besonderem Maße. Das Missverständnis, dass das kampf-feministische Binnen-I die Welt besser macht so wie einst die mit starkem roten Arm ertrotzten Arbeitszeit-Regelungen, ärgert die Mehrheit der Wähler.

Noch schlimmer wird’s, wenn Pam und Co. die Mehrheit unter dem Regenbogen sucht. Wieso sollte ein Mittelstands-Familienvater, der mit Kurzarbeit, explodierenden Wohnkosten, Gebühren und vielen anderen Sorgen kämpft, verstehen, dass sich „seine“ Partei für die Sexualität – also die Privatsache – einer schrillen Minderheit stark macht und nicht für ihn? Auch da wird ein städtisches Minderheiten-Thema gröblich überschätzt, das in keiner Weise mehrheitsfähig machen kann. Denn mit der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen hat das absolut nichts zu tun.

Im Kampf um Klein-Gruppen den Durchschnitt vergessen

Dasselbe gilt für den zum österreichischen Super-Thema hochstilisierten Rassismus. Da ist die SPÖ gerade noch an einem Problem vorbeigeschrammt. Mireille Ngosso, Black-Lives-Matter-Aktivistin und Kämpferin gegen die ihre Gefühle verletzende „Mohren“-Apotheke, unterlag mit 45 Prozent nur knapp bei der Wahl zur Frauen-Vorsitzenden. Dabei ist das Rassismus-Problem nicht gerade das dringendste der Alpenrepublik, schon gar nicht die (von Ngosso geforderte) verpflichtende Migranten-Quote in Firmen-Vorständen.

Wer nur um die Unterstützung von Klein-Gruppen kämpft, darf sich nicht wundern, wenn die Durchschnitts-Wählerschaft mit einer solchen Partei nichts mehr anfangen kann.

Vor allem die Überbetonung von Randthemen verärgert

Die SPÖ wird verstehen müssen: Weder der Unmut über Gender-Wahnsinn und Regenbogen-Verklärung noch über das Rassismus-Herbeireden (Der Mohr im Hemd muss weg von der Speisekarte!) sind Zeichen dafür, dass „die Österreicher“ schlechte Menschen wären und belehrt oder bekehrt werden müssten. Viele negative Reaktionen (besonders in den vielzitierten Sozialen Netzwerken) entstehen aus Ärger über die Überbetonung von Randthemen und die Vernachlässigung der Problemfelder, die auf allen lasten. Den Menschen in unserem Land ist mit Sicherheit viel mehr Toleranz zu attestieren, als den lauten Kämpfern von LGBTIQA und BML lieb ist, aber sie wollen gehört und nicht überhört werden – mit ihren Problemen, mit ihren Anliegen, mit ihren Sorgen. Und das besonders von „ihrer“ Partei.

Sozialdemokraten in Dänemark zeigen vor, wie es geht

Wenn die SPÖ sich wieder der Mehrheit ihrer Wähler zuwendet, wird sie wieder stark sein – das hat Mette Frederiksen in Dänemark vorgezeigt: Sie hat die Stärke wiedererlangt durch einen Schwenk in der Frage der illegalen Einwanderer. Da gibt es weder Willkommenskultur noch Multikulti-Euphorie mehr, sondern strenge Einwanderungsbestimmungen und den Kampf gegen Parallelgesellschaften. (Schon gar nicht wird dort jemandem die Staatsbürgerschaft nachgeworfen.)

Eine Partei, die staatstragend sein will, muss die Menschen in ihren Nöten verstehen. Man muss kein Populist sein, um das Zuviel an illegalen Migranten, die dadurch entstehenden Probleme für Sozialsystem und Bildungseinrichtungen und die Gefahr der Ghettobildungen anzusprechen und Lösungen zu suchen. Im Gegenteil. Das ist, was die Menschen zu Recht von der Politik verlangen. Darum sollte die SPÖ nicht Verräter suchen, sondern einen Kurs, der wirklich stimmt.

Unbeeindruckt von dystopischen Meinungstrends und spitzzüngig gegen Nonsense-Gerede artikuliert sich auch Ruth Pauli (70). „Erst denken, dann twittern“, warnte die Autorin und langjährige ehemalige Innenpolitik-Redakteurin einmal. Schon früh blickte die gebürtige Wienerin über den österreichischen Tellerrand, ihre Studien- und Forschungsjahre führten sie in die USA, die Sowjetunion und nach Frankreich. Nach der Promotion über russische Literatur arbeitete sie unter anderem bei der „Wochenpresse“, der „Presse“ und dem „Kurier“. Sie brachte mehrere Bücher heraus, ob als Übersetzerin, Autorin oder als Herausgeberin.