Österreich war einmal das Land mit sieben Millionen Fußball-Nationaltrainern und Operndirektoren. Jeder vor dem Fernseher konnte es besser als derjenige, der den Posten tatsächlich innehatte.

Jetzt sind wir ein Land von – mittlerweile – acht Millionen Virologen und Freiheitskämpfern. Nur leider gibt es in Politik und Medien auch noch die Ober-Virologen und Ober-Freiheitskämpfer. Und die scheinen zu befürchten, dass ein Ende des Ausnahmezustands als Regierungserfolg interpretiert werden könnte – also haben sie ein Problem geschaffen, wo keines ist: die Spaltung der Gesellschaft durch den Grünen Pass.

Unter dem Motto: Sät Impf-Neid und ihr werdet (Wahlerfolgs-)Sturm ernten?

Man reibt sich die Augen und meint, alb zu träumen: Da wird doch allen Ernstes die Meinung vertreten, dass Geimpfte keine Grünen Pass bekommen sollen, weil das den Nicht-Geimpften gegenüber ungerecht und unsolidarisch wäre. Interessanterweise haben die Medizin-Ethiker – ein Gremium, das über jeden Verdacht ideologischer Fehlleitung erhaben ist – schon vor vielen Wochen diese Frage behandelt: Wenn jemand nicht mehr gefährdet ist und auch keine Gefährdung für andere mehr darstellt, dann sind ihm die Freiheitsrechte umgehend zurückzugeben.

Keine gesetzlich verankerte Gleichheit im Unglück

Monatelang hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit über andere bürgerliche Freiheitsrechte dominiert. Und es wurde gewettert, gezetert und demonstriert ob der Beschneidung der bürgerlichen Freiheitsrechte. Jetzt, wo es zu einer schrittweisen Wiederherstellung dieser Freiheit kommen soll, beginnt ein wildes Gezerre: Wenn der Grüne Pass kommt, haben wir eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, zetern die einen. Als ob es eine Gleichheit im Unglück gäbe, die irgendwo gesetzlich verankert wäre, klagt man über eine Spaltung der Gesellschaft, die man nur selbst herbeiredet. Will man den Menschen wirklich einreden, dass das Natürliche (dass Geimpfte, Genesene und negativ Getestete zurück zur Normalität können) ungerecht, unsolidarisch und zu bekämpfen ist? Dass es daher nicht sein darf? Und darf das auch dann nicht sein, wenn nur mehr die Impfverweigerer ohne den Schlüssel in die Freiheit dastehen?

Weil manchen offensichtlich die Absurdität der falschen Solidaritäts-Argumente aufstößt, flieht man unter den Schutzmantel jener heiligen Kuh, mit der man in Österreich schon viel Sinnvolles verhindert und torpediert hat: Der Datenschutz hält wieder einmal dazu her, eine positive Maßnahme zu verteufeln.

Natürlich: Der Schutz persönlicher Daten ist überaus wichtig. Noch wichtiger wäre, dass er für alle Bürger in unserem Land gleich wirksam ist – und nicht die Handy-Chats „unliebsamer“ Menschen davon ausgenommen sind.

Überzogene Datenschutz-Bedenken können Leben kosten

Im Gesundheitsbereich können die überzogenen Datenschutz-Bedenken sogar Leben kosten, die eine elektronische Krankenakte (durch das rasche Bereitstellen aller nötigen Informationen) hätte retten können. Israel konnte Impfweltmeister werden, weil es dem Impfstoff-Erzeuger die Daten der Impfreaktionen zur Verfügung gestellt hat (was bevorzugte Lieferungen zur Folge hatte) – so etwas ist mit unserem Datenschutz nicht möglich. Hätte die Weitergabe dieser Informationen irgendjemandem geschadet? Nein, wir hätten nur von Anfang an genug Impfstoff gehabt.

Und nun, beim Grünen Pass, drohen uns die falschen Bedenkenträger die Freiheit vorzuenthalten. Schrecklich, für diesen Eintrittsschein in Gasthaus, Kultur und Hotel übergeben wir „dem Staat“ Gesundheitsdaten? Ist es wirklich ein schützenswertes Geheimnis, dass ich geimpft, genesen oder negativ getestet bin? Dann bitte soll jeder, der will, auf den grünen Pass verzichten können – freilich mit allen selbst gewählten Folgen. Dass man etwa auch weiterhin auf die virtuelle Welt und ihre Freuden angewiesen ist, wo man ständig ganz freiwillig sämtliche persönlichen Daten preisgibt.

Es gibt eine lange Liste von nach Reform schreienden Problemfeldern, die die Ausnahmesituation der Pandemie offengelegt hat. Der Datenschutz gehört dazu. Es würden alle in Politik und Medien gut daran tun, das Ende des Jammertals zu beschleunigen. Es wartet viel Arbeit am Ende des Corona-Tunnels.

Unbeeindruckt von dystopischen Meinungstrends und spitzzüngig gegen Nonsense-Gerede artikuliert sich auch Ruth Pauli (70). „Erst denken, dann twittern“, warnte die Autorin und langjährige ehemalige Innenpolitik-Redakteurin einmal. Schon früh blickte die gebürtige Wienerin über den österreichischen Tellerrand, ihre Studien- und Forschungsjahre führten sie in die USA, die Sowjetunion und nach Frankreich. Nach der Promotion über russische Literatur arbeitete sie unter anderem bei der „Wochenpresse“, der „Presse“ und dem „Kurier“. Sie brachte mehrere Bücher heraus, ob als Übersetzerin, Autorin oder als Herausgeberin.