Ein emigrierter ungarischer Musiker meinte unlängst auf die Frage nach Political Correctness: “Oh, im Ostblock nannten wir das noch Zensur.”
Und er hat – leider – recht. Eine akademische Arbeit, die statt zu Gendern den Satz vorausschickt, mit dem generischen männlichen Geschlecht seien alle Geschlechter gemeint, wird vielfach nicht einmal mehr zur Begutachtung angenommen – auf den Inhalt kommt es nicht an. Ein Politiker, der nicht auch das Sternchen spricht, muss sich auf einen Shitstorm gefasst machen – und niemand fällt auf, ob oder was er gesagt hat.

Lippenleser bei der UEFA

Um Nicht-Korrektes (aber vom Adressaten Vergebenes) von Marco Arnautovic zu ahnden, beschäftigte die UEFA sogar schon einen Lippenleser – wann kommt die Gesinnungspolizei?
In Universitätskreisen haben viele Professoren für sich die Selbstzensur entdeckt, damit sie nicht durch eine falsche Bemerkung Zielscheibe studentischer PC-Fanatiker werden.
Hätten nicht gerade die gut abgesicherten und hochgebildeten Uni-Professoren die Pflicht, diesem Mundtot-Machen entgegenzutreten?

Zwar nicht ausgesprochen, aber doch vorhanden - das Diskutier-Verbot

Sie tun das aber auch bei einer anderen bedenklichen Entwicklung nicht: bei dem zwar nicht ausgesprochenen, aber bei vielen Themen durchgesetzten Diskutier-Verbot. Wissenschaft war immer der Wettstreit von rationalen Argumenten, das hat letztlich auch den Fortschritt gebracht. Jetzt wagt man nicht einmal mehr, Greta Thunberg zu widersprechen, auch wenn man Wissen, Studien und Resultate auf seiner Seite hat. Wenn scheinbar allgemeiner Konsens herrscht, dass und wie man das sich stetig verändernde Klima „retten“ kann, dann trügt das. Es gibt gewichtige Wissenschafts-Stimmen, die nachweisen, dass die CO2-Strategen zwar die Wirtschaft der westlichen Welt killen, der dadurch erzielte Effekt aufs Klima sich aber kaum von einer Besteuerung von Büroklammern unterscheiden würde. Ha, würde da die vereinigte Aktivisten-Front rufen: Ihr Klima-Leugner! Damit ist gleich einmal jegliche Diskussion abgedreht.

Cancel Culture in der Wissenschaft existiert

Und wenn das nicht genügt, dann gibt es noch ein weiteres Mittel: Der Wissenschafter wird gecancelt! Er darf nirgends mehr Vorträge halten, publizieren oder sonst irgendwie seine Resultate präsentieren. In bester Ostblock-Manier wird er totgeschwiegen.
Als in Österreich noch diskutiert wurde (etwa bei der Atom-Abstimmung), haben wir gegensätzliche wissenschaftliche Meinungen ausgehalten. Jetzt ist es wieder so, wie schon zu Giordano Brunos Zeiten. Auch wenn der Scheiterhaufen nur symbolisch ist: Es gibt nur mehr eine Wahrheit. In einer freien Gesellschaft, wirklich?

Das Briefgeheimnis - ein Relikt vergangener Tage

Und viel zu wenig beachten wir alle die Folgen, die das unter Johlen und Schenkelklopfen der Opposition abgefeierte Leaken privater türkiser Chats haben wird: Das Recht auf Privatsphäre und das ehemals in freien Gesellschaften unantastbare Briefgeheimnis gehören der Vergangenheit an. Von nun an kann es jedem passieren, dass er für seine Handy-Konversationen haftbar gemacht wird. Und zwar nicht nur für Selbst-Verfasstes: Auch eingehende Nachrichten können zu Hausdurchsuchungen führen – siehe Gernot Blümel. (Auch im Ostblock landete man im Straflager, wenn man von einem Dissidenten im Tagebuch erwähnt wurde…)

Man kann noch so schadenfroh sein über die geleakten Dummheiten und Unappetitlichkeiten – nur sollte man den Präzedenzfall nicht übersehen, den das alles darstellt. Es ist kein privates SMS mehr sicher – nicht einmal, wenn man es löscht, denn es bleibt rekonstruierbar.
Und wenn ein pensionierter Grüner phantasiert, dass private Handy-Konversationen nicht geschützt werden dürfen (was übrigens der EuGH längst getan hat), weil man sie für das Überführen von Drogenbossen braucht, dann wird’s abenteuerlich. Sind wir denn wirklich alle Drogenbarone?

Bis zum Ende der Freiheit

Und so wird uns langsam immer mehr Freiheit genommen – und wir bemerken es nicht einmal.

Unbeeindruckt von dystopischen Meinungstrends und spitzzüngig gegen Nonsense-Gerede artikuliert sich auch Ruth Pauli (70). „Erst denken, dann twittern“, warnte die Autorin und langjährige ehemalige Innenpolitik-Redakteurin einmal. Schon früh blickte die gebürtige Wienerin über den österreichischen Tellerrand, ihre Studien- und Forschungsjahre führten sie in die USA, die Sowjetunion und nach Frankreich. Nach der Promotion über russische Literatur arbeitete sie unter anderem bei der „Wochenpresse“, der „Presse“ und dem „Kurier“. Sie brachte mehrere Bücher heraus, ob als Übersetzerin, Autorin oder als Herausgeberin.