“Druck auf Beschuldigte wächst”, titelte ORF.at um 19.26 Uhr – und lenkte damit nach exakt einer Stunde und fünfzehn Minuten die Aufmerksamkeit wieder auf den nunmehrigen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und seine türkise ÖVP.
Die überführte Meinungsforscherin Sabine Beinschab würde als Kronzeugin gegen das “System Kurz” aussagen. Angesichts der Tatsache, dass ihr sogar vorgeworfen wird, Beweismaterial vernichtet zu haben, schon fraglich. Deutlicher : Wie der eXXpress nun erfuhr, lässt die Justiz nun auch die bisher geheimen E-Mail-Accounts der Meinungsforscherin und Ex-Ministerin Sophie Karmasin beim Anbieter gmx auswerten.

Erstaunlich, war Beinschab doch angeblich schon im Oktober “bereit, ihr Wissen zu offenbaren”.

Flächenbrand im Polit-Krimi rund um Inserate und Umfragen

Neben anderen Medien berichtete auch der ORF über den vermeintlichen Kronzeugenstatus von Sabine BeinschabScreenshot: orf.at

Das Timing der Kronzeugen-Meldung ist aus mehreren Gründen interessant. Könnte es sich um einen Bluff der Justiz handeln, um andere mit der Drohkulisse eines Geständnisses Beinschabs zum “Singen” zu bringen? Sehr nahe liegt aber jedenfalls, dass die Aufmerksamkeit unbedingt auf der ÖVP zu bleiben hatte. Denn der eXXpress hatte zur Causa Brisantes zu berichten. Was mit “frisierten” Umfragen möglich ist, schilderte uns ein Brancheninsider so: “Das war nicht nur 2015 so, sondern auch während des SPÖ-internen Streits um die Nachfolge im Bürgermeisteramt der Stadt Wien Ende 2017.

Ein Wiener Top-Anwalt, der den “Ibiza-Akt” bestens kennt, sagte dazu im eXXpress-Gespräch: “Vermutlich wird diese Inseraten-Korruptions-Causa zu einem Flächenbrand, der fast die gesamte österreichische Medienlandschaft und noch mehr Politiker erfassen wird. Jetzt gibt’s nur noch zwei Möglichkeiten für die Justiz: Entweder wirklich alles aufzudecken und auch zur Anklage zu bringen – oder sehr rasch alles einzustellen.”

Und was für die SPÖ und für einen österreichischen Tageszeitungsverlag besonders unangenehm werden könnte: Wenn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erneut die Inseraten-Vergabe während der Amtszeit von Ex-Bundeskanzler Werner Faymann neu aufrollen würde. “Verjährt ist diese Causa noch nicht”, erklärte der Rechtsanwalt, der die aktuellen Handlungen der Justiz genau verfolgt.

Endete "Freiwilligkeit" bei Emails?

Nach den Ermittlungen gegen die ÖVP und Sebastian Kurz findet sich nun neu im Akt eine Anzeige zu “bestellten Umfragen” gegen die SPÖ Wien und Ex-Bürgermeister Michael Häupl - sollte davon schnell wieder abgelenkt werden?Screenshot: eXXpress.at

Zurück zur “Kronzeugin” Beinschab. Vor Beginn der Befragung wurde laut Berichten festgehalten, dass die Beschuldigte bereit ist, „freiwillig mein Wissen über Tatsachen und/oder Beweismittel zu offenbaren, deren Kenntnis wesentlich dazu beitragen, kann, die umfassende Aufklärung (…) der Straftaten über meinen eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern oder eine Person auszuforschen, die an einer solchen Verabredung führend teilgenommen hat oder in einer solchen Vereinigung oder Organisation führend tätig war“.

Frau Beinschab wollte also “freiwillig” alles offenlegen. Die Freiwilligkeit scheint dann mit Emails aber auch schon wieder geendet zu sein. Die österreichischen Korruptionsfahnder ersuchen nun nämlich die deutsche Justiz um eine Kooperation zur Öffnung der bisher geheimen Mail-Konten von Sabine Beinschab und Sophie Karmasin beim Webportal gmx. Dieses Unternehmen der 1 & 1 Mail und Media GmbH in Montabaur und Karlsruhe bietet Mail-Postfächer an, deren Adressen auch mit Falschnamen geführt werden können.

Der Hintergrund für diesen Schritt der österreichischen Justiz: In einem Chat auf WhatsApp gibt Thomas Schmid der Meinungsforscherin den Auftrag, ihn doch über “seine private gmx-Adresse” zu kontaktieren – es geht dabei offensichtlich um die Bezahlung von Umfragen.

Mails, Fotos, Kalenderdaten, Voicemails soll die vermeintliche "Kronzeugin" dann noch nicht freiwillig herausrücken
Auch im Visier der Justiz: Sophie Karmasin, es gilt die Unschuldsvermutung