Für die Rüstungsindustrie Russlands gibt es keinen Weg an ihnen vorbei. In Hubschraubern und Raketen, in Drohnen und Kampfpanzern haben die russischen Waffenfirmen seit Jahren amerikanische und europäische Chips und Halbleiter verbaut. Ohne die westlichen Lieferungen wären russische Waffen heute kaum konkurrenzfähig.

Nachdem die russischen Truppen vor knapp einem Jahr in der Ukraine einmarschierten, war der Westen mit Sanktionen gegen Russland rasch zur Stelle. Unter anderem verboten die USA und die EU die Lieferung von Mikrochips und Halbleitern nach Russland. Die wichtigsten Branchenunternehmen wie Intel, AMD, der taiwanische Chipriese TSMC oder Nexperia aus den Niederlanden stellten fast über Nacht ihr Russland-Geschäft ein.

Auch in russischen Kampfhubschraubern sind westliche Elektronikteile verbautQuelle: Getty Images

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen: Russlands Industrie liegt in Trümmern

Ende März verkündete US-Präsident Joe Biden siegesgewiss, dass sich Russland dank Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine nun auf dem Weg ins 19. Jahrhundert befinde. Im September legte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vollmundig nach: Russlands Industrie liege in Trümmern. “Das russische Militär nimmt Chips aus Geschirrspülern und Kühlschränken, um seine militärische Hardware zu reparieren, weil es keine Halbleiter mehr gibt”, sagte von der Leyen während einer Rede im EU-Parlament.

Inzwischen zeigt sich allerdings, dass die Sanktionen bei weitem nicht so effektiv waren wie vom Westen anfangs vermutet. Zwar veröffentlicht Russland keine Statistiken mehr zum Außenhandel. Einerseits, um die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu verschleiern. Aber auch um zu verbergen, wie russische Unternehmen die Strafmaßnahmen des Westens umgehen.

Die Elektronik ist auch in russischen Kampfpanzern unerlässlich

Importvolumen von Elektronik-Bauteilen von 1,8 auf 2,45 Milliarden Euro gestiegen

Wie aus einem aktuellen Bericht hervorgeht, konnten die westlichen Sanktionen die russischen Importe von elektronischen Bauteilen keineswegs verringern. Ganz im Gegenteil: Russland importierte 2022 sogar mehr Prozessoren und Halbleiter als vor dem Krieg. Insgesamt sind die Einfuhren in diesem Segment von 1,8 Milliarden Euro auf 2,45 Milliarden Euro gestiegen, berichtet die “Zeit”.

Auch darüber hinaus sind die russischen Einfuhren übers Jahr gerechnet nur um 16 Prozent gesunken. Das bestätigte auch der US-Ökonom und Sanktionsexperte Matthew Klein. Laut seinen Berechnungen lagen die russischen Importe im November nur 15 Prozent unter dem Monatsschnitt 2021. Noch Anfang 2022, kurz nach Putins Invasion, hatten Experten mit einem Einbruch von mindestens 30 bis 40 Prozent gerechnet.

Der ehemalige russische Präsident und Putin-Vertraute, Dmitri Medwedew, besucht eine Panzerfabrik in RusslandQuelle: Sputnik/ AFP/ Getty Images

China springt auch bei Elektronik-Bauteilen für Russland in die Bresche

Dass Russland die Sanktionen umgehen kann, liegt an Ländern wie China, der Türkei oder den Vereinten Arabischen Emiraten. Sie alle fungieren als Standort für russische Zwischenhändler, die über Briefkastenfirmen westliche Technik beziehen. Parallel dazu füllen sie mit eigenen Gütern die Lücken, die durch Sanktionen und den Rückzug westlicher Konzerne entstanden sind. 

 Der mit Abstand wichtigste Handelspartner für Russland ist mittlerweile China. Insgesamt sind die Einfuhren aus dem Land 2022 um 13 Prozent gestiegen. Dabei hatten viele westliche Unternehmen wie Apple oder Ikea den russischen Markt vor ihrem Rückzug aus chinesischen Werken beliefert. Dieser Einbruch konnte also kompensiert werden. Chinas Unternehmen liefern nun den Großteil von Neuwagen und Smartphones, von Computern aber auch schwerem Gerät wie Baumaschinen und Lkw. Allein der Export von Lastfahrzeugen aus China hat sich 2022 mehr als verdreifacht. Die Einfuhr von Baugerät hat sich verdoppelt.

Am wichtigsten aus russischer Sicht dürften jedoch die Importe von Mikrochips sein. Zusammen mit Hongkong hat China 2022 Halbleiter im Wert von 900 Millionen US-Dollar geliefert, mehr als doppelt so viel wie 2021.