Die Verleihung des Großen Goldenen Ehrenzeichens des Landes Wien an den chinesischen Botschafter Li Xiaosi löste weltweit Verwunderung und teils scharfe Kritik aus. Sämtliche Experten für Menschenrechte wiesen zum einen auf die sich häufenden Vorwürfe wegen Chinas Umgang mit Uiguren, Hongkong und tibetischen Buddhisten hin. Mehrere Staaten spielen mit dem Gedanken, den Olympischen Winterspielen in China fernzubleiben. Zum anderen erinnerten die internationalen Stimmen an Chinas Vertuschung des Corona-Virus zu Beginn, die maßgeblich schuld an der weltweiten Ausbreitung gewesen sei, samt negativen Folgen für Österreich.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hatte die Entscheidung zuvor vor allem mit der Lieferung von 39.000 FFP2-Masken an die Wiener dank Vermittlung des Botschafters begründet. „Diese spontane Hilfe mitten in der Krise war ein starkes Zeichen der Verbundenheit zwischen Beijing und Wien“, meinte Ludwig.

Chinas Botschafter Xiaosi Li bei der Entgegennahme des Goldenen Ehrenzeichens durch Bürgermeister Michael LudwigC.Jobst/PID

"China hat die gesamte Welt der Krise ausgesetzt"

Der in den USA lebende chinesische Dissident Yang Jianli reagierte entrüstet auf die Nachricht: „Es ist eine große Schande für Wien. Der chinesische Botschafter Li Xiaosi vertritt eine Regierung, die sich den Werten widersetzt, die die Wiener schätzen“, meinte der Überlebende des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens und ehemalige politische Gefangene. „Die chinesische Regierung reagierte auf die COVID-19-Pandemie, indem sie ihren Ausbruch vertuschte und gegen Whistleblower vorging, Unfalldaten fälschte und die Welt in die Irre führte. Darüber hinaus hat die chinesische Regierung alle möglichen Barrieren errichtet, um unabhängige Fachleute daran zu hindern, den Ursprung des Coronavirus zu untersuchen, weswegen die gesamte Menschheit, einschließlich der Wiener Bevölkerung jetzt einer Krise ausgesetzt ist. Die Große Goldmedaille für Verdienste um das Land Wien, die einem Vertreter dieser diktatorischen Regierung verliehen wird, missachtet nicht nur die Würde der direkten Opfer des repressiven Regimes, sondern beleidigt auch die Integrität der Wiener. Ich hoffe, dieser bedauernswerte Vorfall wird zum Weckruf für Wien, Europa und die freie Welt!“

Yang Jianli setzt sich für Demokratie in China ein. Er nahm seit 1980 an Pro-Demokratiebewegungen teil und musste 1989 nach dem Tian’anmen-Massaker aus China fliehen.AFP

Ähnlich äußerte sich in Wien die Bewegung „Stand With Hongkong Vienna“: „Wir sind verblüfft über die offensichtliche Ignoranz oder Irreführung des Wiener Bürgermeisters, der für die geringe Unterstützung Chinas so dankbar ist, jedoch vergessen hat, dass die langsame Reaktion dieses Landes und die mangelnde Transparenz gegenüber der WHO und der internationalen Gemeinschaft die Hauptursache des Leidens von Millionen Menschen auf der ganzen Welt waren.“

Kritik von ehemaligem EU-Kommissar Ján Figel

„Es ist eine traurige Entscheidung, bei der die massiven Missstände in der Volksrepublik China hinsichtlich Menschenwürde und Gerechtigkeit außer Acht gelassen wurden“, kommentierte etwa Ján Figel, ehemaliger EU-Kommissar und Sonderbeauftragter der Europäischen Kommission für die Förderung der Religionsfreiheit außerhalb der EU.

Noch schärfere Worte fand James Wilson von der belgischen Stiftung International Foundation for Better Governance: „Während die freie Welt die kommunistische Partei Chinas wegen entsetzlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang und Tibet verurteilt und einen Boykott der Olympischen Winterspiele in China im Jahr 2022 fordert, verhöhnt die Ehrung des Botschafters eines totalitären Staates durch die Stadt Wien die Europäer und die europäischen Werte.“

"Schlag gegen alle, die wegen Religion verfolgt werden"

Der italienische Religionssoziologe Prof. Massimo Introvigne und Herausgeber des internationalen Online-Magazins Bitter Winter, das sich für Religionsfreiheit und Menschenrechte einsetzt, bemerkte dazu: „Während die meisten Länder der Welt die ‚Wolf-Krieger-Diplomatie‘ chinesischer Gesandter zensieren und obendrein ein Bericht der Universität Oxford zeigt, wie chinesische Botschaften Twitter mit gefälschten Konten und Trollen verderben, ist die Wiener Auszeichnung nicht nur ein Schlag gegen Uiguren, Hongkonger und tibetische Buddhisten sondern auch gegen alle, die wegen ihrer Religion oder wegen der Forderung nach Respektierung der Menschenrechte verfolgt werden.“