Es ist äußerst selten, dass das Cover eines Wochenmagazins hierzulande so hohe Wellen schlägt, dass die Wogen an Ablehnung und Entrüstung auch über die Grenzen Österreichs hinwegschwappen und auch die Redaktionen weitaus auflagenstärkerer Zeitungen zu Reaktionen hinreißen – besonders dann, wenn die Welt gerade ganz andere große Themen hat, wie eine globale Pandemie zum Beispiel. Dennoch ist dem “Falter” dieses zweifelhafte Kunststück mit seiner jüngsten Ausgabe gelungen. Jetzt kommt Kritik auch von Seiten der “FAZ”.

Kritik nun auch von der "Frankfurter Allgemeinen"

Wie der eXXpress berichtete, titelte die Wiener Wochenzeitung in ihrer letzten Ausgabe vor Heiligabend 2021 mit dem provokativen Sujet von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, seiner Partnerin Susanne und deren neugeborenem Sohn als “heilige Familie”. Der breite Sturm der Empörung richtete sich hier weniger an der obskuren Darstellung des Kanzlers als Vater des “Heilands (oder in diesem Fall…”Geilands”, frei nach dem Falter-Titel der “Geilzeit” ) oder FPÖ-Chef Kickl oder Kurzzeit-Kanzler und Kurz-Nachfolger Alexander Schallenberg aus. Auch die Abbildung des (Jesus-)Kindes – hier gänzlich vom Originalgemälde, welches als Ausgangspunkt der Collage diente, übernommen und somit als einzige Person am Cover nur repräsentativ dargestellt – regte nicht ansatzweise so auf, wie jene von Susanne Thier.

Denn das Gesicht von Kurz’ Partnerin, und Mutter seines Sohnes, wurde auf den Körper einer barbusigen Maria modelliert – und so zum anstößigen Objekt heftigster Kritik. Aus vielerlei guten Gründen – und davon wurde einer noch gar nicht diskutiert, wie nun ein kritischer Kommentar in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”(FAZ) anmerkt.

Familienministerin Susanne Raab kritisierte das "Geilzeit"-Cover des "Falter" scharf. Herausgeber Florian Klenk versteht die Aufregung nur bedingtCollage / eXXpress

Es sei wahrscheinlich “ohnehin, unabhängig vom Ergebnis, eine schlechte Idee” gewesen, “dass ein derart engagiertes Medium sich in Satire an seinem gefallenen Lieblingsobjekt versuchte”, schreibt der politische Korrespondent der FAZ in Wien, Stephan Löwenstein in seinem Kommentar. Es sei ja doch nichts anderes als “einen toten Hund zu treten”.

Die Reaktionen seitens der Politik, die regierende türkis-grüne Koalition dabei an vorderster Front, zeigte sich in der Bewertung des Covers einig: Es sei “sexistisch und geschmacklos“ und stelle unbeteiligte Privatpersonen (nämlich Frau Thier) in der Öffentlichkeit bloß, konstatierte etwa Familienministerin Susanne Raab (ÖVP). Auch die Grünen fanden “diese Abbildung in hohem Maße sexistisch, herabwürdigend, ja geradezu empörend.” Und sogar “Freunde” des Falter, wie ORF-Armin Wolf oder Hans Rauscher vom “Standard” fanden scheltende Worte für das Sujet: Wolf befand, dass der Beitrag sich “auf dem Niveau einer Maturazeitung” bewege, Rauscher verurteilte ihn als einen “Schuss mit der Doppelläufigen ins Knie des kritischen Journalismus”. Und die Aufregung ist noch lange nicht gegessen – aufgrund zahlreicher Beschwerden wird sich auch der Presserat nach seiner Weihnachtspause im Jänner mit dem Cover befassen.

FAZ-Journalist: Sexismus-Vorwürfe - auf jeden Fall! Aber was ist mit Blasphemie?

Seitens des “Falter” hält sich die Aufregung um das Cover der jüngsten Blattausgabe in Grenzen. Sowohl nHerausgeber Armin Thurnher als auch Chefredakteur Florian Klenk argumentierten, dass das Bild nicht mehr und nicht weniger als eine “satirisch überhöhte Kritik” daran darstelle, dass Kurz seinen Rückzug aus der Politik mit der Geburt seines Sohnes begründet hatte. Und die blanke Brust der Thier-Maria  ist für sie ein “klassisches Sujet”, das “nichts mit Sex zu tun” habe. In seinem Ursprung ja – ” das Motiv der Maria lactans hat nichts mit Sex zu tun”, meint auch Löwenstein. ABER: “..eine Kritik an Kurz über die Bloßstellung seiner Freundin zu transportieren aber sehr wohl mit Sexismus”, kontert der FAZ-Korrespondent. Und zum Abschluss seines kritischen Kommentars gibt er noch einen Denkanstoß mit, über den sich bislang noch niemand groß aufgeregt hat: “Abgesehen davon ist das Bild blasphemisch, auch wenn daran niemand Anstoß zu nehmen scheint”, schreibt Stephan Löwenstein.