Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat vor seinem Staatsbesuch in Österreich mit provokanten Aussagen in Rumänien für Schlagzeilen gesorgt. Österreich habe diplomatisch richtig reagiert, meint Prof. Ralph Schöllhammer (Webster University) in “10 vor 8” im Gespräch mit eXXpress-Chefredakteur Richard Schmitt. Es sei nicht zielführend gewesen, Orbán öffentlich bloßzustellen. Verständnis bringt der Polit-Experte für Orbáns Kritik an den Sanktionen auf. Bei diesen sieht auch er massive Probleme.

Ungarn will den Wohlstand seiner Bürger bewahren

Dass der ungarische Ministerpräsident zuvor zwecks Zulieferung von mehr russischem Gas nach Moskau gereist ist, sei zwar nicht förderlich für die europäische Einigkeit gewesen. Allerdings könne Ungarns Wirtschaft – wie Budapest erklärt – ohne russisches Gas nicht überleben. Es gehe um die Bewahrung des Wohlstands der Ungarn.

Schöllhammer glaubt im übrigen nicht, dass Orban hier der einzige bleiben wird, der aus der Reihe tanzt. Immerhin erwarten die Bürger schwerwiegende Belastungen. “Da werden noch einige ausscheren. Vielleicht werden es andere nicht so offen machen wie Ungarn.”

Wir wissen eigentlich nicht, was das Ziel der Sanktionen ist

Orbán fordert auch eine Evaluierung der Sanktionen. Hier sieht auch Schöllhammer ein Problem: “Was ist das genaue Ziel? Was will man erreichen? Wir wissen es, glaube ich, selbst nicht”, kritisiert der Politikwissenschaftler. “Es kann nicht das primäre Ziel sein, nur Russland zu schaden.” Im Sinne des Militärwissenschaftlers Carl von Clausewitz könne das Ziel nur darin bestehen, dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen. “Aber was ist unser Wille?”

Darüber hinaus hat man Russland einfach maßlos unterschätzt. “Bei den nackten Zahlen ist Europa wesentlich stärker. Das Bruttoinlandsprodukt der EU ist exakt zehn mal so groß wie jenes Russlands. Nur steht der europäische Wirtschaftsriese halt auf Beinen russischen Öls, russischer Kohle und russischen Gases. Wenn die wegfallen, dann wird das relativ schnell problematisch.”

Energiepreise und Ernteaussichten lassen Schlimmes erwarten

So drohen nun etwa mit weniger Gas, auch weniger Dünger, damit weniger Nahrung und in danach höhere Preise. Das werde bereits in anderen Regionen zu einem größeren Problem, etwa in Sri Lanka, als nächstes vermutlich in Pakistan, dann in Bangladesch. Manche Güter werden Mangelware, oder absurd teuer – warnte auch Orbán.

Ehrlicherweise müsse man zugeben: “Auf Russlands Angriffskrieg, dessen – durch nichts zu entschuldigendes – Ziel eine territoriale Expansion ist, waren wir nicht ausreichend vorbereitet. Nur wie viel kann man nun von der eigenen Bevölkerung verlangen?” Man müsste den Österreichern vermitteln, warum es wichtig sei, all die Opfer zu bringen. “Ich höre die Argumente nicht.” Bald dürften solche Argumente noch dringender sein.

Mit Blick auf die Energiepreise für die kommenden zwei Jahre und die Ernteaussichten konstatiert der Polit-Experte: “Das ist ein Vorspiel für die Krise. 2023 wird bedeutend schlimmer für die Menschen.” Wenn er daran denke, wie viel die Österreicher von ihrem Netto-Vermögen für Dinge des alltäglichen Lebens zahlen müssen, könnte noch viel ins Rollen kommen. Schöllhammer und Schmitt sind sich in einem einig: Sie hoffen nicht, dass es so schlimm kommend wird.

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