Zum ersten Mal seit dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine hat sich der ehemalige deutsche Bundeskanzler in einem ausführlichen Interview zur aktuellen Lage geäußert. Schröder verbindet bekanntermaßen eine enge Freundschaft mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, durch die er nach seiner politischen Karriere mit hochdotierten Posten im russischen Gasgeschäft Fuß fassen konnte. Genau diese Umstände ließen Schröder in den letzten Wochen ins Kreuzfeuer scharfer Kritik geraten – auch, nachdem er auf eigene Faust eine Reise nach Moskau antrat, um Putin zu beschwichtigen.

Dies schlug fehl, doch in seinem neuen Interview mit der “New York Times” hinderte es den deutschen Altkanzler nicht daran, erneut seine Bereitschaft zur Vermittlung im Ukraine-Krieg zu betonen: “Ich habe immer deutsche Interessen vertreten. Ich tue, was ich kann. Wenigstens eine Seite vertraut mir”, so Schröder. Der frühere SPD-Chef und heutige Lobbyist für russische Energie-Unternehmen erklärte gegenüber der “NY Times, dass man nun “so schnell wie möglich zu einer Friedenslösung” kommen müsse, und verurteilte den Krieg als “Fehler: “Ich denke, dieser Krieg war ein Fehler, und das habe ich auch immer gesagt”, so Schröder.

Eine Umarmung unter Freunden: Gerhard Schröder und Wladimir Putin in Zeiten vor dem Krieg

Gegenüber dem US-amerikanischen Medium verriet er auch kleine Details über seine Moskau-Reise im März. Zum Gespräch mit Putin verriet er aber nur so viel: “Was ich Ihnen sagen kann ist, dass Putin daran interessiert ist, den Krieg zu beenden. Aber das ist nicht so leicht. Da gibt es ein paar Punkte, die geklärt werden müssen.”

Schröder traf Putin im Kreml getroffen und sprach laut eigenen Angaben auch mit Putins Berater Wladimir Medinski und dem Oligarchen Roman Abramowitsch, den die Sanktionen gegen Russland sehr hart treffen (der eXXpress berichtete).

Schröder: "Initiative von Moskau-Reise ging von Ukrainern aus"

Überraschend kommt Schröders Aussage, dass die Initiative für die Moskau-Reise “von ukrainischer Seite” ausgegangen sei. Den Kontakt habe das Schweizer Medienunternehmen Ringier hergestellt, dann habe der ukrainische Parlamentarier Rustem Umerow Schröder vor der Reise nach Moskau bei einem Treffen in Istanbul über die ukrainischen Positionen informiert. Nach dem Gespräch mit Putin habe es ein weiteres Treffen mit Umerow in der türkischen Metropole gegeben. Danach sei der Kontakt abgebrochen. Er sei aber bereit, mit beiden Seiten wieder zu sprechen, betonte Schröder in seinem Interview mit der “New York Times”.

Schröder positioniert sich gegen Bruch mit Russland

Schröder warb dafür, die Beziehungen zu Russland trotz des Angriffskriegs gegen die Ukraine aufrechtzuerhalten. “Sie können ein Land wie Russland langfristig nicht isolieren, weder politisch noch wirtschaftlich”, sagte er. “Die deutsche Industrie braucht Rohstoffe, die Russland hat. Es geht nicht nur um Öl und Gas, es geht auch um seltene Erden. Und das sind Rohstoffe, die nicht so einfach ersetzt werden können.”

Schröder will nur unter einer Bedingung von Gaskonzern-Posten zurücktreten

Ebenfalls brisant: In dem Interview auf eine Möglichkeit eines Rücktritts von seinen Posten für russische Energiekonzerne angesprochen, sieht Schröder das nur in einem Fall als denkbar an: Wenn der russische Präsident Wladimir Putin Deutschland und der Europäischen Union das Gas abdreht. Das schließt er allerdings aus: “Das wird nicht passieren.” Sollte es aber doch dazu kommen, “dann würde ich zurücktreten”, fügt er hinzu, ohne explizit zu sagen, von welchen Posten.

Schröder ist Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energieriesen Rosneft und war zuletzt auch für die Pipeline-Gesellschaften Nord Stream und Nord Stream 2 tätig. Er steht in Deutschland massiv in der Kritik, weil er sich trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht von seinen Posten trennt. Vier SPD-Verbände haben deswegen ein Parteiausschlussverfahren gegen Schröder beantragt.

Auch der russische Energieriese Gazprom hat Schröder Anfang Februar – kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine – für einen Aufsichtsratsposten nominiert. Die Hauptversammlung ist für den 30. Juni geplant. Schröder ließ laut “New York Times” in dem Interview offen, ob er die Nominierung annehmen wird.