Viele haben es ohnehin schon geahnt: Der “schwedische Weg” ist nicht ganz so schlimm, wie zunächst befürchtet. Das untermauern nun neueste Zahlen zur Übersterblichkeit in Europa im Jahr 2021. Demnach hatte Schweden sogar die geringste Inzidenz bei der Übersterblichkeit pro 100.000 Einwohnern. In Österreich war sie mehr als viermal so hoch (siehe oben), wie Berechnungen gestützt auf Daten von “The Economist” für 2021 ergeben. Besonders hoch war die Übersterblichkeit dabei in Osteuropa.

Gerade gegen Ende des vergangenen Jahres waren die Übersterblichkeitszahlen in Schweden besonders niedrig, wie die Online-Publikation “Our World in Data” zeigt: Schweden liegt am unteren Ende (für Spanien und Italien fehlen noch die neuesten Zahlen).

Man sieht: Die Strategie der Durchseuchung hat Schweden nicht in ein Massengrab verwandelt.

Eine andere Frage ist, ob es deshalb besser gewesen wäre, wenn Länder wie Österreich dem schwedischen Beispiel gefolgt wären. Eine einfache Antwort ist nicht möglich, wie eine genauerer Blick auf die Daten zeigt.

Unterschiedliche Trends, je nach Land

Deutschland und Österreich etwa haben anfangs tatsächlich eine deutliche niedrigere Mortalität als Schweden aufgewiesen, zuletzt war sie dafür wieder höher.

Anders verhält sich das bei Staaten, die zuvor eine deutlich höhere Übersterblichkeit als Deutschland und Österreich durchmachten, nun aber klar unter den dortigen Werten von 25 und 30 Prozent liegen, wie eben Schweden und auch einige romanische Länder.

Dass aber eine höhere Übersterblichkeit in der Vergangenheit noch nicht zwingend vor einer erhöhten Übersterblichkeit in der Gegenwart schützt, beweisen die Schweiz, die Niederlande und Belgien. Sie hatten in der Vergangenheit schon eine hohe Übersterblichkeit erlebt, und heute sind sie in Westeuropa neuerlich im Spitzenfeld.

Schließlich sind da noch die mit Schweden benachbarten Länder Norwegen, Finnland und Dänemark, die den schwedischen Weg nicht beschritten haben und eine durchgehend niedrige Übersterblichkeit aufweisen, auch wenn sie zurzeit nicht ganz so niedrig ist, wie etwa in Schweden (siehe oben), doch mit durchschnittlich zehn Prozent lagen sie zuletzt ebenfalls klar unter Deutschland und Österreich.

Wenn man in der EU alle belegten Covid-Todesfälle (ist nicht dasselbe wie die Übersterblichkeit) zusammenaddiert, steht Schweden solide da, aber etwas schlechter als seine Nachbarländer.

Einmal mehr zeigt sich: Monokausale Erklärungen greifen zu kurz, speziell wenn es um Lockdown-Maßnahmen geht. Jedes Land ist anders. Die hohe Todeszahl im gar nicht so impffreudigen Osteuropa gilt übrigens als Argument für die Wirksamkeit der Impfung, aber das ist ein anderes Thema. In Schweden liegt die Impfquote bei 76 Prozent, zwei Prozentpunkte über jener von Österreich.

Eines kann man auf jeden Fall festhalten: Die Kassandrarufe für Schweden haben sich nicht bewahrheitet.

Messung der Übersterblichkeit

Zur Erläuterung: Der Begriff “Übersterblichkeit” wird in der Epidemiologie und im öffentlichen Gesundheitswesen verwendet und bezieht sich auf die Zahl der Todesfälle, die während einer Krise über das hinausgehen, was wir unter “normalen” Bedingungen erwartet hätten. Es geht also um die Zahl der Todesfälle während der Covid-19-Pandemie im Vergleich zu jenen Todesfällen, die wir erwartet hätten, wenn die Pandemie nicht aufgetreten wäre – eine entscheidende Größe, die nicht bekannt ist, aber auf verschiedene Weise geschätzt werden kann.

Die Übersterblichkeit gilt als Maß für die Gesamtauswirkungen der Pandemie auf die Todesfälle. Sie erfasst nicht nur die bestätigten Todesfälle, sondern auch jene Todesfälle, die nicht korrekt diagnostiziert und gemeldet wurden.