Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich am Donnerstag an die Staats- und Regierungschefs der NATO gewandt, die zu einem Dringlichkeitsgipfel über den Krieg Russlands in der Ukraine zusammengekommen waren. Diesmal verzichtete Selenskyj auf seine übliche Forderung nach einer Flugverbotszone, bat aber die NATO, sein Land mit militärischer Ausrüstung zu versorgen. Dabei wurde er sehr konkret: Die Ukraine bräuchte ein Prozent aller NATO-Panzer und ein Prozent aller Flugzeuge.

Am schlimmsten sei für die Ukraine, bisher keine klare Antwort von der NATO zur militärischen Unterstützung erhalten zu haben. Darüber hinaus warnte Selenskyj: Moskau werde nicht in der Ukraine aufhören, sondern als nächstes Polen und die baltischen Staaten angreifen.

"Ukraine hat sich unter ungleichen Bedingungen behauptet"

Die Ukraine sei zwar nicht NATO-Mitglied, aber “wir haben das Gefühl, dass wir uns in einer Grauzone zwischen dem Westen und Russland befinden“, unterstrich der ukrainische Präsident, „und dennoch verteidigen wir alle unsere gemeinsamen Werte.” Selenskyj bedankte sich ausdrücklich für die Unterstützung einzelner NATO-Staaten sowie für die Aufnahme zahlreicher Flüchtlinge in den Ländern der NATO. Doch er appellierte weiterhin an das Bündnis der NATO.

Russland habe mehr als tausend verschiedene Raketen eingesetzt und Hunderte von Luftangriffen begangen. Die Ukraine verfüge nicht über eine starke Raketenabwehr, während Russland mit einem leistungsfähigeren Flugsystem im Vorteil sei “beim Einsatz von Massenvernichtungswaffen.” Die Ukraine habe sich unter ungleichen Bedingungen behauptet.

16. Dezember 2021: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg (r) begrüßt den ukrainischen Präsidenten während einer Pressekonferenz in Brüsselgetty

Flugzeuge zum Schutz der Menschen, Panzer zum Schutz der Städte

Um Menschen und Städte in der Ukraine zu retten, brauche die Ukraine militärische Unterstützung. „Wir bitten um Flugzeuge, damit wir nicht so viele Menschen verlieren. Sie haben diese Flugzeuge, aber wir haben nicht ein einziges erhalten. Wir bitten um Panzer, damit wir unsere sterbenden Städte – Mariupol, Berdjansk, Melitopol –, in denen Russland Tausende von Menschen als Geiseln hält und eine künstliche Hungersnot verursacht, wieder freigeben können. Es gibt dort kein Wasser und keine Lebensmittel.”

Dann nannte Selenskyi eine konkrete Zahl: “Sie haben mindestens 20.000 Panzer. Die Ukraine bittet um ein Prozent, ein Prozent aller Ihrer Panzer.” Darüber hinaus brauche die Ukraine „ein Prozent aller Ihrer Flugzeuge“. So könne die Ukraine „uns und Ihnen 100 Prozent Sicherheit geben.“

"Das ist das Schlimmste im Krieg. Wir bekommen keine klare Antwort"

Bisher habe die Ukraine keine klare Antwort erhalten. „Das ist das Schlimmste am Krieg. Wir bekommen keine klare Antwort aus dem Westen auf unsere Bitten um Hilfe.“ Und: „Wir wollen nur unser Volk retten, überleben, einfach nur überleben.”

Donnerstagmorgen habe Russland wieder Phosphorbomben eingesetzt, die Erwachsene und Kinder getötet haben. “Ich bin sicher, dass Sie jetzt verstehen, dass Russland nicht vor der Ukraine Halt machen wird. Das wird es nicht. Es wird weiter gegen die östlichen NATO-Mitglieder vorgehen – auf jeden Fall gegen die baltischen Staaten und Polen. Wird die NATO aufhören, sich Sorgen zu machen, wie Russland reagieren wird?”