Geheime Absprachen bei Posten-Besetzungen sind heute verpönt – zu Recht. Dafür sorgte vor allem ein zu Jahresbeginn bekannt gewordener Sideletter aus den türkis-grünen Verhandlungen. Seither wettert die SPÖ gegen solch heimliche Abmachungen und fordert mehr Transparenz. SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim machte sich für das Anti-Korruptions-Volksbegehren stark. Ausschreibungen und Bestellungen sollen “ausschließlich in transparenten Verfahren, nach objektivierbaren Kriterien” erfolgen, heißt es dort.

Allein: An der undurchsichtigen Bestellung des Patientenanwalts in Wien hat das rein gar nichts geändert. Die Wiener SPÖ, so scheint es, pfeift hier auf jene Transparenz, die sie ansonsten fordert.

"Offensichtlich ist Postenschacher wichtiger"

Wie schon im Jahr 2017 findet kein öffentliches Hearing der Kandidaten statt. Bereits vor fünf Jahren beklagte der Wiener Landtagsabgeordneter und NEOS-Gesundheitssprecher Stefan Gara – damals noch in Opposition: “Transparenz ist anscheinend ein Fremdwort für die rot-grüne Wiener Stadtregierung.” Wer Patientenanwalt wird – “das schnapst sich die rot-grüne Stadtregierung hinter verschlossenen Türen aus”, kritisierte er. “Offensichtlich ist Postenschacher zwischen SPÖ und den Grünen wichtiger.”

Damals fiel die Entscheidung zum bereits zweiten Mal auf die Grüne Sigrid Pilz.

2017, als die NEOS noch in Opposition waren, attackierte deren Gesundheitssprecher Stefan Gara den rot-grünen "Postenschacher"NEOS Wien

Eine undichte Stelle gibt zu viel preis

Besonders pikant: Bereits vier Tage vor der offiziellen Entscheidung, am 9. Juni 2017, war in der Zeitung zu lesen: “Pilz bleibt Patientenanwältin”. Dabei fand die entsprechende Sitzung der Wiener Landesregierung erst am 13. Juni statt. War also die Entscheidung bereits vor dem offiziellen Termin gefallen? Das riecht nach “Sideletter” und geheimen Absprachen.

Man fragt sich, warum sich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) für den Fall bis heute nicht interessiert. Es geht immerhin – mutmaßlich – um heimliche Abmachungen und – angesichts der undichten Stelle – auch um Amtsmissbrauch.

FPÖ: "Pilz hat rote Missstände jahrelang gedeckt"

Nun sind die Grünen in Wien nicht mehr an der Macht, es regiert Rot-Pink. Insidern zufolge soll dennoch Sigrid Pilz ein drittes Mal den Posten erhalten. Persönlichkeiten in der SPÖ wie Gesundheitsstadtrat Peter Hacker würden Pilz vorziehen, heißt es.

Eigentlich hätte sie nichts gegen ein öffentliches Hearing, erklärte Sigrid Pilz (64), nachdem sich die Wien Stadtregierung bereits anders entschieden hat.Peter Provaznik

Für FPÖ-Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl ist das wenig erstaunlich: “Pilz hat keinerlei Verbesserungen im Wiener Gesundheitssystem erreicht, sondern die von unfähigen roten Managern verursachten Missstände jahrelang gedeckt.” Seidl spricht von zehn verlorenen Jahren unter Pilz für die Patienten in Wien und befürchtet neuerlich “Postenschacher”. Er unterstreicht. “Es darf nicht wie in den letzten beiden Perioden so sein, dass eine grüne Parteigängerin, die weder Juristin noch Medizinerin ist, diesen gut dotierten und vor allem wichtigen Posten besetzt.” Seine Forderung nach einem zusätzlichen Hearing der Kandidaten im zuständigen Ausschuss wurde abgewiesen.

Forderte bereits 2017 ein öffentliches Hearing: FPÖ-Gesundheitssprecher Wolfgang SeidlAPA/HELMUT FOHRINGER

Besonders kurze Bewerbungsfrist

Ganz besonders kurz war diesmal die Bewerbungsfrist: 11. April bis 1. Mai. Dabei hat die Magistratsdirektion gleich am 11. April die Dienststellen über diese Ausschreibung informiert – zum Vorteil für Sigrid Pilz. Außenstehende kannten Bewerbungsfrist und Vorgaben erst ab 15. April, als die Ausschreibung erstmals, wenn auch gut versteckt, im Internet zu finden war.

Dass es zumindest ein bisschen transparenter geht, zeigt übrigens die Ausschreibung des Wiener Umweltanwalts: Hier muss der Umwelt-Ausschuss des Gemeinderats die Kandidaten zumindest anhören und dann die drei geeignetsten dem amtsführenden Umweltstadtrat vorschlagen. Beim Patientenanwalt ziert sich die Stadt Wien hingegen. Das Auswahlverfahren bleibt vor der Öffentlichkeit und der Opposition verborgen. Selbst wie viele Personen sich diesmal überhaupt beworben haben, ist bisher nicht bekannt.