Interessensgruppen und Oligarchen kontrollieren das Land und bereichern sich zulasten der Bürger. Zu diesem Befund war erst Ende September 2021 der europäische Rechnungshof gelangt – der eXXpress berichtete. Dieser Sonderbericht ist sehr erhellend, wird aber zurzeit totgeschwiegen. Aus ihm geht zweifelsfrei hervor: Die Ukraine steckt mit beiden Beinen tief im Korruptionssumpf. Es ist völlig ungeklärt, wie sie sich so schnell daraus befreien soll. Die EU hat nämlich viel in Anti-Korruptionseinrichtungen gesteckt, doch gegen haben sich Profiteure der jetzigen Misswirtschaft gewehrt, durchaus mit Erfolg.

Die härtesten Aussagen des Berichts:

Großkorruption ist „zentrales Problem“, permanent Rückschläge

Nach wie vor ist „Großkorruption … ein zentrales Problem in der Ukraine ist. Die Justizreform erleidet derzeit Rückschläge, die Korruptionsbekämpfungseinrichtungen sind gefährdet und das Vertrauen in derartige Stellen ist nach wie vor gering, nur vereinzelt kommt es zu Verurteilungen wegen Großkorruption.“

„Die Korruption rührt hauptsächlich von Oligarchen und Interessengruppen in der Ukraine her, die für die Rechtsstaatlichkeit und die wirtschaftliche Entwicklung im Land das Haupthindernis darstellen.“

Staatliche Monopole und fehlender Reformwille der Politik

Nur wenig Erfolg wurde erzielt bei der Durchsetzung von Wettbewerbspolitik: „Weitaus umfassendere Maßnahmen sind nötig, insbesondere da so viele Unternehmen in der Ukraine den Status von Oligopolen oder Monopolen genießen“. Und: „Der fehlende politische Reformwille und der Widerstand gegen Antikorruptions- und Justizreformen führten zu schweren Rückschlägen, die nicht durch Abhilfemaßnahmen verhindert wurden.“

Illegale Übernahme von Unternehmen und Eigentum

Investoren seien gewarnt: Für das eigene Vermögen ist kaum gesorgt. Weil Register ungenau sind, können elektronische Vermögenserklärungen nur schlecht überprüft werden. Dabei steht die unrechtmäßige Übernahme von Unternehmen und Eigentum  de facto auf der Tagesordnung. „Die Ungenauigkeiten mancher konsultierter Register beeinträchtigen die Überprüfung elektronischer Vermögenserklärungen. Die unrechtmäßige Übernahme von Unternehmen oder Eigentum stellt in der Ukraine ein gravierendes Problem dar und birgt für Investoren ein erhebliches Risiko.“

Verfassungsgericht kippt wichtige Reformen

Mit Erfolg konnten Versuche, etwas an diesem Missstand zu ändern, verhindert werden. So wurde etwa die elektronische Vermögenserklärung vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt!

„Ferner wurden einige Errungenschaften von Interessengruppen gekippt. Einer der letzten Versuche war der Beschluss des Verfassungsgerichts, mit dem die elektronische Vermögenserklärung für verfassungswidrig erklärt wurde. Obwohl die EU und der internationale Druck die Gesetzgeber dazu veranlassten, die Verpflichtung zur Vermögenserklärung und Sanktionen im Falle einer Nichteinhaltung wiederherzustellen, sind die Sanktionen nicht ausreichend abschreckend.“

Staatliche Unternehmen müssen keine Schulden zurückzahlen

Darüber hinaus werden staatseigene Unternehmen durch Moratorien geschützt, mit denen der Schuldendienst unterlassen oder ganz aufgeschoben wird:

„U-finanzierte Sachverständige kamen jedoch zu dem Schluss, dass Moratorien ein erhebliches Problem darstellen, da sie die Durchsetzung von Gerichtsbeschlüssen verhindern und staatseigene Unternehmen davor schützen, in Konkurs zu gehen oder ihre Schulden zurückzuzahlen.“

„Rechtsstaatlichkeit und Entwicklung des Landes gefährdet“

Juhan Parts, das für den Bericht zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs, stellte im September 2021 resigniert fest: „Obwohl die Ukraine Unterstützung unterschiedlichster Art vonseiten der EU erhält, untergraben Oligarchen und Interessengruppen nach wie vor die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine und gefährden die Entwicklung des Landes. Ukraine braucht eine zielgerichtete und effiziente Strategie, um die Macht der Oligarchen unter Kontrolle zu halten und die Vereinnahmung des Staates zu verringern.“

Nur: Eine solche Strategie liegt bis jetzt nicht vor, wie der Bericht ebenfalls mehrmals kritisiert.