Soziologe Bernhard Heinzlmaier: "Die Politik hat in der Corona-Pandemie die unteren zwei Drittel der Bürger vergessen"
In “10 vor 8” spricht eXXpress-Chefredakteur Richard Schmitt mit dem Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier über dessen neues Buch “Generation Corona”. Der TV-Gast unterstreicht: Die Nöte der gesellschaftlichen Mitte und der Unterschicht wurden ignoriert. Und die Jugend hat das Vertrauen in die Regierenden verloren.
Jene, die am meisten von der Corona-Krise betroffen waren, sind in der Öffentlichkeit am wenigsten zu Wort gekommen. Zu diesem Befund gelangen die Studien des Jugendforschers und eXXpress-Kolumnisten Bernhard Heinzlmaier. Am meisten gelitten haben demnach die gesellschaftliche Mitte und die Unterschicht. Das obere Drittel ist eigentlich ganz gut durch die Pandemie gekommen, doch genau hier wurde am meisten gejammert. “Während die einen still ihren Job gemacht haben, ist die Oberschicht vor dem Fernseher gesessen und hat sich beschwert, sie würde im Home-Office immer durch die Kinder gestört”, erläutert Heinzlmaier im eXXpress-Talk.
Politik erreicht die kleinen Leute nicht mehr
Somit wurde die gesamte Debatte nur mehr aus der Perspektive des oberen Drittels geführt. Die alleinerziehende Mutter, die in der Früh im Supermarkt arbeiten muss und nicht weiß, was ihre Kinder gerade tun, kam nicht vor. Überhaupt sind nur 30 Prozent aller Jobs “homeoffice-fähig”, wie Heinzlmaier im Gespräch mit eXXpress-Chefredakteur Richard Schmitt unterstreicht.
Die Folgen für die Demokratie sind aus Sicht der Jugendforschers gravierend. Bei Mittel- und Unterschicht vertraue man überhaupt nicht mehr der Politik und der Regierung, weil die Botschaften dort überhaupt nicht mehr ankommen. Die Regierung kommuniziere nur mehr für das obere Drittel, vergesse aber dabei auf jene darunter. “Das führt leider zu einer Repräsentationskrise.”
Die junge Generation verliert das Vertrauen in die Politik
“Es gibt eine massive Vertrauenskrise”, unterstreicht der Jugendforscher. “In Österreich war die Debatte um Corona immer sehr alarmistisch und übertrieben. Das hat dazu geführt, dass nur noch knapp 33 Prozent der Jugendlichen der Regierung vertrauen”. Die deutsche Regierung habe hingegen weitaus sachlicher kommuniziert. Ergebnis: Noch 50 Prozent der Jugendlichen in Deutschland vertrauen der Regierung, in Österreich gerade einmal 33 Prozent. Für Bernhard Heinzlmaier zeigt sich darin: „Man kann mit Kommunikation schon auch sehr viel falsch machen.“
Mittlerweile haben 70 Prozent der Unter-30-Jährigen nicht mehr das Gefühl, dass sie die Politik noch vertritt. Was die Jugendlichen darüber hinaus besonders belastet: Sie sind abgeschnitten von den Gleichaltrigen, und die sind besonders wichtig beim Weg ins Erwachsenenalter: “Nun sind sie nur mehr ihren Eltern ausgeliefert, die Elternkontrolle ist stärker und darunter leiden sie.”
Die heutigen Jugendlichen sind keine Rebellen mehr
Allerdings sind die heutigen Jugendlichen keine Rebellen, berichtet Bernhard Heinzlmaier: “Sie reagieren pragmatisch.” In den 1970er Jahren hätte es noch einen Aufstand gegeben. Nun tun die Jugendlichen so, als wären sie eh mit allem einverstanden, und suchen Freiräume, wo sie unbeobachtet die Bestimmungen umgehen können. “Wir ziehen da eine Generation groß, die nach dem Konzept ‘Aufstieg durch Anpassung’ funktioniert. Diese sehr angepasste Jugend reagiert nicht, auch wenn sie mit den Corona-Maßnahmen nicht einverstanden ist.” Der Tenor der meisten Jugendlichen sei gewesen: “Ich versuche halt das Beste daraus zu machen.”
Ein weiteres Problem für die Demokratie heute sei: “Man getraut sich nicht mehr zu sagen, was man sich denkt.” Dem konservativen US-Philosophen Michael Sandel zufolge hätten deshalb 73 Millionen Amerikaner für Donald Trump gewählt, weil sie von den linksliberalen Eliten als rechte Idioten und Rassisten gebrandmarkt wurden. Ähnlich würde es auch heute jenen Menschen ergehen, die sich kritisch über die Corona-Politik äußern, warnt Heinzlmaier: “Alles wird weggecancelt. Das hat in der Jugend zu ziemlichen Verwerfungen geführt. Man überlegt sich heute jedes Wort.”
Die Klimabewegung ist eine "Rebellion der Angepassten"
In Greta und ihrer Klimabewegung sieht der Jugendforscher keine neue Revolte. Das sei “die Rebellion der Angepassten” – höhere Töchter und Söhne demonstrieren gemeinsam mit ihren linken Professoren, mit denen sie vorher gemeinsam die Schilder des Klimaprotests angefertigt haben. “Diese ganze Klimabewegung ist die Revolte der Oberschichtkinder.“ Von der Mitte abwärts könne niemand etwas damit anfangen.
Kommentare
Da hat er ziemlich recht. Ich bin glücklicherweise nicht an der Stelle einer alleinerziehenden Kassakraft. Aber im Gegensatz zu Teilzeit, sehe ich bei Vollzeitarbeit, dass man am Ende vielleicht 2-3h zum Einkaufen übrig hat. Es ist schwer vorstellbar, was alleinerziehende Mütter da erst bewältigen müssen wenn noch kochen hinzu kommt und eventuell bei Hausaufgaben helfen. Dann womöglich putzen und andere Kleinigkeiten obwohl keine Zeit für das Essen war und diese schon todmüde sind.
Jene die Home-Office haben sollten sich glücklich schätzen und tatsächlich wäre es besser die Sichtweise der anderen mehr zu thematisieren.
Dänemark und Schweden erklären die Pandemie für beendet.
Lauter Idioten oder Menschen, die sich über die Lemminge erheben?
“Die Jugend verliert das Vertrauen in die Politik” – nicht nur die Jugend…
Wortmeldungen nach dem Ibiza Skandal von VdB “So sind wir nicht” oder von Kurz “Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels” oder der Impfanreiz mit der Auslobung von 100 € wenn Jugend sich impfen lässt oder gar ein Auto in einer Impflotterie eines Bundeslandes mit 296.000 Einwohnern – für wie dumm halten die Politiker unsere Jugend? – Unsere Politiker (mit wenigen Ausnahmen) sind für die WORTINFLATION maßgeblich verantwortlich. Zeigt unseren Augen die Worte, die wir hören!
Seit 20 Monaten herrscht nun diese verdammte Pandemie – und zwar weltweit. Alle Regierungen versuchen, mit Maßnahmen schlimmste Entwicklungen zu verhindern, mit mehr oder weniger Erfolg. Fast alle Menschen mussten Einschränkungen auf sich nehmen, und es liegt in der Natur der Sache, dass ein Lockdown in einem Einfamilienhaus mit Garten angenehmer verbracht wird als in einer 2-Zimmerwohnung in der Stadt.
Heinzlmaier hat insofern Recht, als breite Bevölkerungsschichten von der Politik (nicht nur der Regierung) nicht erreicht werden. Gerade die Jugendlichen benutzen andere Medien, schauen keinen ORF und lesen keine Zeitung, Regierungspressekonferenzen interessieren sie natürlich schon gar nicht.
Was also wäre eine Lösung? Was schlägt er vor, um zb die vielen jungen Menschen mit Migrationshintergrund zu erreichen, die ja schon einen beträchtlichen Prozentsatz ihrer Alterskohorte ausmachen?
Ich weiß es ehrlich gestanden nicht. Dass die Politik um die demonstrierenden Bobo-Kids herumscharwenzelt, gefällt mir nicht.
Wie und warum sollten Jugendliche, die vom Elternhaus alles mitbekommen, pflichtgemäß irgendeine Matura ablegen, lernen, sich im Leben zu behaupten?
“Fridays for Future” ist doch nichts anderes als eine lustige Freizeitveranstaltung von und für gelangweilte Mädels/Buben aus gutem Hause, die noch nie einen Gedanken darüber verschwendet haben, wie sie ihr schönes und ungestörtes Leben im bunten Regenbogenland finanzieren sollen/müssen.
Vielleicht ist schon jemand aufgefallen, dass Jugendliche die eine Lehre absolvieren (und somit zur Unterschicht gezählt werden) schon früh lernen mit Problemen und Herausforderungen umzugehen, auch alleine und ohne Mama/Papa und diverse Seelsorge- und sonstige Hilfsdienste.
Um diese Jugendlichen muss sich niemand Sorgen machen! Auch nicht in Corona-Zeiten!
Alles Liebe und bleibt gesund!
Also, dass die deutsche Regierung weitaus schalicher kommuniziert hätte, widerspricht ganz klar meinen Beobachtungen. Man lese oder schaue z. B. die Berichte von den Bundespressekonferenzen bei Boris Reitschuster nach. Ansosnten stimme ich mit Herrn Heinzlmaier überein, besonders seine treffende Analayse über die Freunde von Greta.
Okay! Der exxpress geht den Weg der restlichen Medien …. war heute Morgen schon bei Schmitt und Pfaffeneder zu bemerken! Ich brauch kein weiteres “Ding”, das permanent auf Kickl & Co setzt!
Ciao – eine Enttäuschte!!
Grüssen Sie mir die Genossen 👋
“Die deutsche Regierung habe hingegen weitaus sachlicher kommuniziert.” Als bayerischer Neuwiener bin ich immer sehr verwundert über den manchmal etwas naiven österreichischen Blick auf Deutschland…
“Die deutsche Regierung habe hingegen weitaus sachlicher kommuniziert”
🤦♂️🤦♂️🤦♂️🤦♂️🤦♂️
Möchte wirklich wissen, wen in Deutschland Hr. Riester meint. Bislang sind unsere Politiker auch wenn sie konfus reagieren wahre Lichtgestalten gegen die politische Führung unserer deutschen Nachbarn..