Am Ende kommt ohnehin wieder die Koalition aus Union und SPD – meinen viele, aber nicht der deutsche Bestsellerautor Rainer Zitelmann (64): „Wenn die drei linken Parteien eine einigermaßen auskömmliche, also nicht nur eine sehr knappe Mehrheit haben, dann werden sie koalieren. Vielleicht nicht sofort, aber dann nach einem Jahr oder so“, unterstreicht er im Gespräch mit dem eXXpress. Dies könnte etwa folgendermaßen geschehen: „Vielleicht gibt es zuerst eine Ampel (Rot-Grün-Gelb) und ein Jahr später werfen SPD und Grüne die FDP unter irgendeinem Vorwand (‚FDP wollte nicht mitmachen bei einem wichtigen Projekt gegen soziale Ungerechtigkeit oder Klimawandel’) raus und gehen dann mit der Linken zusammen.“

Rot-Rot-Grün bedeutet die Zerstörung der deutschen Automobilindustrie

Nach wie vor bezweifeln viele das Zustandekommen einer solchen Koalition wegen der außenpolitischen Positionen der Linken. So wollen die Linken etwa, dass Deutschland die Nato verlässt. Doch Zitelmann zeigt sich vom Dissens, der hier zwischen SPD und Grünen auf der einen Seite, und der Linken auf der anderen Seite besteht, nicht beeindruckt: „Das wurde taktisch vor den Wahlen als Scheinproblem aufgebaut, weil es ohne jedes Problem nach der Wahl abgebaut werden kann.“

Auf die Frage, was Rot-Rot-Grün bedeuten würde, wird Zitelmann, ein Befürworter der freien Marktwirtschaft (siehe etwa sein Buch: „Der Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“), sehr deutlich: „Die verschärfte Fortsetzung all dessen, was Merkel begonnen hat: Die Umgestaltung der deutschen Wirtschaft in eine Planwirtschaft. Die Zerstörung der deutschen Automobilindustrie. Und die Steuererhöhungen werden dazu führen, dass viele Unternehmer und Spitzenkräfte das Land verlassen.“ Innerhalb der EU würden dann Olaf Scholz und die Grünen den Südländern in Europa alle ihre Wünsche nach Umverteilung, europäischer Arbeitslosenversicherung, Eurobonds etc. erfüllen.

„FDP-Chef Christian Lindner hat nach der Wahl auf jeden Fall den schwarzen Peter“

Für Zitelmann steht fest: „Das kleinste Übel wäre die Deutschland-Koalition aus CDU/CSU, SPD und FDP. Das größte Übel wäre eine Linksfront-Regierung der drei linken Parteien. Alles ist möglich.“

Zitelmann, der selbst seit Jahrzehnten FDP-Mitglied ist, sieht die Situation seiner Partei nach der Wahl entsprechend schwer: „Ich möchte nicht in Christian Lindners Haut stecken. Wenn er eine Ampel eingeht und dabei zentrale Wahlversprechen (keine Steuererhöhungen) bricht, hat er den schwarzen Peter. Wenn er nicht dabei mitmacht und es dann zu einer Linksfront-Regierung kommt, wird man ihm die Schuld geben. Eine Zwickmühlen-Situation, in der man kaum gewinnen kann.“

Rainer Zitelmann ist bekennender Wirtschaftsliberaler. Von seiner Partei, der FDP wünscht er sich aber mehr Mut.

Es fehle bei der FDP die schärfste Kritik an Cancel Culture und Politischer Korrektheit

Zuletzt erfreute sich die FDP guter Umfragen – 9 bis 13 Prozent – doch Zitelmann ist nur mäßig zufrieden: „Natürlich freue ich mich über die guten Umfrageergebnisse. Und bei so guten Ergebnissen wird Kritik nicht gerne gehört. Ich denke jedoch, die FDP hätte aus der Schwäche der Union noch mehr Gewinn erzielen können – aber wer weiß, vielleicht gibt es ja eine Überraschung am Wahlabend.“

Auf die Frage, wie sich die FDP aufstellen müsste, nennt Zitelmann drei Punkte. Erstens: Einsatz für wirtschaftliche Freiheit. „Das macht die FDP, wenngleich noch nicht konsequent genug.“ Zweitens „Einsatz für geistige Freiheit“. Das soll heißen: „Schärfste Kritik an Cancel Culture und Politischer Korrektheit. Das macht leider – außer Wolfgang Kubicki (zurzeit Bundestagsvizepräsident, Anmerkung) – kaum jemand in der FDP. Ich halte das Thema geistige Freiheit für ein zentrales liberales Thema, ebenso wichtig wie die wirtschaftliche Freiheit.“ Und drittens bräuchte es den Einsatz für einen starken Rechtsstaat, „das heißt auch Bekämpfung organisierter Kriminalität und illegaler Migration. Dieses Thema wird kaum von der FDP beachtet.“

Rainer Zitelmann ist überzeugt: „Ich denke, eine FDP, wie ich sie mir vorstelle, hätte das Potenzial, ebenso stark wie die CDU, die SPD oder die Grünen zu sein.“

„Die SPD hat Olaf Scholz vorgeschickt, um die Wähler zu täuschen“

Mit Blick auf das Umfrage-Hoch der SPD vor der Bundestagswahl meint Zitelmann: „Die SPD hat die frechste Wählertäuschung in der Geschichte der Bundesrepublik betrieben. Die SPD wird heute von Linksaußen-Leuten wie Saskia Esken und Kevin Kühnert bestimmt. Sie haben Olaf Scholz, den sie nicht einmal als Vorsitzenden wollten, als Kanzlerkandidat vorgeschickt, um die Wähler zu täuschen.“

Linke und Grüne seien hingegen bei der Wahl ihrer jeweiligen Spitzenkandidaten Opfer ihrer eigenen Ideologie geworden. „Man kann froh sein, dass die Linken jemanden wie Sahra Wagenknecht durch Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler ersetzt haben, denn das hat ihre Wahlchancen gemindert. Das Gleiche gilt für die Grünen: Weil das Geschlecht wichtiger ist als die Qualifikation, haben sie Annalena Baerbock zur Kandidatin gekürt. Ich finde das natürlich gut, denn mit Robert Habeck würden sie bestimmt ein besseres Ergebnis erzielen.“

Wichtige Debatten über Zuwanderung oder eine Alternative zur Energiewende fehlten im Wahlkampf

Am Wahlkampf kritisiert Zitelmann vor allem eins: „Über die wichtigen Themen wurde gar nicht gesprochen.“ So wurde etwa bei den Debatten im deutschen Fernsehen das Thema Migration komplett ausgeblendet – „dabei machen sich, wie Umfragen belegen, 45 Prozent der Deutschen Sorgen darüber“. Ebenso gab es keine alternative Position zur Energiewende.“ Wieder lässt er ein Kritik an seiner eigenen Partei anklingen: „Eine mutige FDP hätte sich klar zur Kernenergie bekannt.“ Darüber hinaus kam in den sogenannten Triellen im

Politisch ohne Einfluss werde die AfD sein, meint Zitelmann: „Die Entwicklung der AfD ist äußerst negativ. Anfangs spielten Wirtschaftsliberale wie etwa Hans Olaf Henkel eine wichtige Rolle und die AfD hatte den Finger auf manchen wunden Punkt – zum Beispiel als Kritikerin der Eurorettungspolitik – gelegt. Die Wirtschaftsliberalen haben die Partei jedoch überwiegend verlassen. Im Wahlkampf hat sich die AfD vor allem als parlamentarischer Arm der Querdenker-Bewegung dargestellt und Menschen mit Impf- und Maskenphobie angesprochen. Die AfD wird jedoch weiterhin ohne Einfluss auf das politische Geschehen in Deutschland bleiben, weil niemand mit ihr koalieren will.“

Rot-Rot-Grün Deutschland wäre . . .