Was für ein Geheimdienst-Thriller! Direkt unter den Augen – und vermutlich mit der Duldung – der Regierung von Wolodymyr Selenskyj reiste ein türkisches Kommando in die Ukraine. Das Ziel der Agenten Erdogans: Der in der Ukraine untergetauchte Tatverdächtige Sanik Nuri Gokhan Bozkir – er soll einen Menschen ermordet haben und gilt für die Ermittler in Ankara als Mitglied der Fethullahistischen Terrorganisation (FETÖ), also als Gefolgsmann des Predigers Fetullah Gülen, der immer wieder als Drahtzieher des spektakulären Putschversuchs in der Türkei im Jahr 2016 genannt wird.

Jetzt in Haft in der Türkei: Nuri Gokhan Bozkir.

Türkisches Kommando reiste in die Ukraine

Seit Monaten hat sich Nuri Gökhan Bozkır nun in der Ukraine aufgehalten – vermutlich in dem Glauben, dass die ukrainische Regierung und die ukrainischen Nachrichtendienste aktuell größere Sorgen haben, als sich um einen Asylwerber zu kümmern, der in der Türkei gesucht wird.

Dass offenbar Kiew durchaus bereit war, der Regierung Erdogans einen Gefallen zu tun, wurde Nuri Gökhan Bozkir nun offensichtlich zum Verhängnis: Ungehindert von Selenskyjs Geheimdienst konnte ein türkisches Kommando in die Ukraine einreisen – und einen spektakulären Kidnapping-Plan durchziehen.

Der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan mit Wolodymyr Selenskyj im Sommer des Vorjahres.

Gekidnappter Mordverdächtiger spricht von Foltervorwürfen

Am 26. Jänner wurde Nuri Gökhan Bozkır von den türkischen Agenten überwältigt. In einem aktuellen Interview bestätigte der mittlerweile in der Türkei inhaftierte Gülen-Anhänger: “Ja, sie haben mich in einen Sarg gesteckt. In einen richtigen Sarg.” Mit dieser Tarnung wurde der “Tote” dann in ein Flugzeug verladen – laut seinen Aussagen in einen Jet des ukrainischen Geheimdienstes – das ist allerdings nicht von neutraler Seite nachprüfbar.

Der Mordverdächtige soll dann gemäß seiner Ankunft in der Türkei schwer gefoltert worden sein, was offizielle türkische Stellen sicher bestreiten werden. Jetzt wartet der Ex-Offizier der türkischen Armee in der Haftanstalt auf seinen Mordprozess.

Die EU-Führung in Brüssel oder sonst sehr laute Menschenrechtsorganisationen werden vermutlich nicht allzu engagiert die Entführung des türkischen Asylwerbers in einem Sarg aus der Ukraine sowie die mutmaßliche Mitwisserschaft der Regierung in Kiew anprangern.