Auf unerreichbaren 31 Prozent, kurz sogar 32 Prozent sahen sämtliche Umfragen die Sozialdemokratie im Juni. Damals, vor bald fünf Monaten, wäre der SPÖ der Sieg wohl kaum zu nehmen gewesen. Ihre Führungsposition hat die Partei seither nicht verloren, doch der Vorsprung unter der Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner ist seither deutlich geringer geworden. Das belegen sämtliche Umfragen, etwa jene von der “Market/Paul Lazarsfeld Gesellschaft” für oe24.

ÖVP und FPÖ legen zu

Momentan befindet sich die Sozialdemokratie konstant bei 27 bis 28 Prozent – gegenüber dem Juni ist das ein Minus von knapp fünf Prozent. Die Vorsitzende der Sozialdemokratie konnte den deutlichen Vorsprung nach dem Sommerloch nicht halten. Vor allem nach dem “Wien Energie”-Skandal rutschte die Partei unter 30 Prozent. Auch bei der Tirol-Wahl konnten die Roten trotz Verlusten für die ÖVP nicht reüssieren, sondern verharrte beinahe unverändert bei 17,48 Prozent.

Genau umgekehrt verläuft der Trend bei ÖVP und FPÖ: Die Kanzlerpartei und die Freiheitlichen lagen zu Sommerbeginn bei etwa 20 Prozent, mittlerweile konnten sie sich immerhin auf 23 Prozent (ÖVP) bzw. 24. Prozent (FPÖ) steigern.

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) während einer Nationalratssitzung im Februar 2022.APA/ROLAND SCHLAGER

Europas Energie- und Teuerungskrise könnte vieles ändern

Wenn sich der Trend fortsetzt, läuft alles auf einen Dreikampf hinaus – mit sehr vielen Ungewissheiten, schließlich befindet sich Europa, und damit auch Österreich, in einer seiner schwersten Krisen. Energieknappheit und anhaltende Inflation konnten zu enormen sozialen Spannungen führen. In Zeiten der Unzufriedenheit profitieren oft Oppositionsparteien – in Schweden und Italien waren das zuletzt solche des rechten Spektrums.

Andererseits können Regierungsparteien durch souveräne Führung punkten, denn eine solche erwarten die Bürger besonders in Krisenzeiten. Der deutsche Journalist und Medienunternehmer Gabor Steingart meinte kürzlich gar: In Zeiten der Krise ist Führung für Politiker Verpflichtung.

Neue Parteien könnte die Spielregeln nochmals ändern

Hinzu kommt ein genereller Polit-Frust, der neue Parteien beachtliche Erfolgschancen eröffnen könnte. Umfragen bestätigen: Die Sehnsucht nach neuen Parteien ist so groß wie noch nie.

Dominik Wlazny alias Marco Pogo (Gründer der Bierpartei) könnte auch bei der kommenden Nationalratswahl antreten.APA/HANS PUNZ

Über die Bundespräsidentenwahl hat sich vor allem die Bierpartei und ihr Gründer in Stellung gebracht. Der Zuspruch zur MFG scheint mit dem Abklingen der Corona-Krise eher schwächer zu werden. Speziell die Roten fürchten eine neue Partei von Ex-Kanzler Christian Kern und PR-Berater Rudolf „Rudi“ Fußi. Auch der Anwalt Tassilo Wallentin, der bei der vergangenen Bundespräsidentenwahl erstmals als Kandidat ins Rennen gegangen ist, hat der Politik seither nicht klar Adieu gesagt.

Tassilo Wallentin lässt sich nicht in die Karten schauen,APA/GEORG HOCHMUTH

Fakt ist: Neue Parteien könnten den Ausgang der kommenden Nationalratswahlen nochmals vollständig ändern. Die Politik ist so unberechenbar wie noch nie. Neuwahlen sind zurzeit unwahrscheinlich. Ein Wahlergebnis im Jahr 2024 lässt sich nicht seriös prognostizieren.