Am Dienstag triumpierte sie bei den Olympischen Winterspielen in Peking im Big Air. Eileen Gu ist bereist mit 18 Jahren ein absoluter Superstar. Doch sie führt ein Leben zwischen zwei Welten. Das zeigte auch die Medienkonferenz nach ihrem Erfolg bei den Winterspielen. Vor ihr stand ein zweideutiges Schild. Ailing Eileen Gu. Sie wurde in den USA in San Francisco geboren. Seit Juni 2019 geht sie für China an den Start. Schon damals wusste Eillen Gu, dass sie bei Olympia für China antreten möchte – das Land ihrer Mutter. Sie nahm dafür auch die chinesische Staatsbürgerschaft an.
Besonders interessant: Im Winter davor feierte sie im Slopestyle ihren ersten Weltcupsieg für die USA, also für das Land ihres Vaters. Doch ihr Wechsel ins chinesische Team brachte auch viel politische Brisanz mit sich. Wie sie gegenüber dem Nachrichten-Magazin “Time” im vergangenen Somme rsagte, bekam sie sogar Todesdrohungen aus den USA. Ihre Social-Media Kanäle waren überflutet. Auch heute noch lebt die Olympiasiegerin gemeinsam mit ihrer Mutter in den USA in San Francisco.
Dennoch spricht Eileen Gu fließend Mandarin. Darüber hinaus verbrachte die Freestylerin ihre Ferien oft in der Heimatstadt ihrer Mutter. Allerdings macht Eileen Gu nicht nur auf der Skipiste eine gute Figur. Sie verfolgt auch eine Karriere als Model und steht bei IMG Models unter Vertrag. Von ihrer Mutter wurde Eileen Gu bereits früh gefördert und in eine Free-Skiing-Schule gebracht. So wurde das Interesse für diesen Sport bereits sehr früh geweckt.
Als Luftakrobatin sorgt Gu für Furore und wird in der Folge als “neue Ikone” Chinas bezeichnet. Die Freude und die Erleichterung bei ihrer Olympiapremiere war der Ski-Freestylerin deutlich anzusehen. Der Druck stieg ins Unerträgliche. Die Erwartungen der Einheimischen war ebenso groß. So war der chinesische Kurznachrichtendienst “Sina Weibo” nach ihrem grandiosen Erfolg sogar überlastet. Es war die erste Goldmedaille einer chinesischen Sportlerin im Skisport. Keine Frage: Eileen Gu ist ein Social Media-Star – sowohl im Westen als auch im Osten.
Eileen Gu oder Gu Ailing? Amerikanischer oder chinesischer Name? Als sie sich am Dienstag nach ihrem Triumph im Big Air an der Medienkonferenz setzt, steht vor ihr das eindeutige zweideutige Schild: Ailing Eileen Gu. Die Kombination der beiden Welten also, für die die Freestylerin steht. Oder auch: der beiden Supermächte, zwischen deren Fronten die erst 18-Jährige geraten ist.
Im Ski-Freestyle-Bereich hat das chinesische olympische Komitee nicht lange nach Talenten suchen oder für Anfängerinnen Crashkurse anbieten müssen – wie in vielen anderen Sportarten. Schon im Sommer 2019, als sie erst 15 war, entschied sich Eileen Gu, bei Olympia für China anzutreten. Das Land ihrer Mutter. Im Winter zuvor hatte sie im Slopestyle ihren ersten Weltcupsieg gefeiert, für die USA, das Land ihres Vaters.
Nach ihrem Wechsel wurde ihr blitzartig bewusst, dass dies in der Öffentlichkeit nicht nur sportlich, sondern offenbar auch politisch von höchster Brisanz war. Gegenüber dem Nachrichten-Magazin «Time» sagte sie im vergangenen Sommer: «Meine Social-Media-Kanäle wurden überflutet.» Es ging bis zu Todesdrohungen – aus dem Land, dem sie sportlich den Rücken gekehrt hatte.
Stammgast in den Modemagazinen
Eileen Gu ist in den USA geboren, lebt heute noch mit ihrer Mutter in San Francisco und hat dieser einiges zu verdanken. Die Tochter spricht fliessend Mandarin und kennt Peking nicht erst seit einem Testwettkampf. Oft hat sie ihre Ferien in der Heimatstadt der Mutter verbracht und geht als Model bei den lokal ansässigen «Vogue», «Elle» und «Harper’s Bazaar» ein und aus. Die Mutter steckte sie früh auch in eine Free-Skiing-Schule, viel zu schnell raste ihr Klein Eileen die Pisten am Lake Tahoe hinunter. Damit wäre dann fertig, war ihre Überlegung. Doch mit waghalsigen und teils risikoreichen Manövern in der Luft ging es da erst richtig los.
Luftakrobatik mit Stil: Eileen Gu begeistert und wird später als «neue Ikone Chinas» betitelt.
Luftakrobatik mit Stil: Eileen Gu begeistert und wird später als «neue Ikone Chinas» betitelt.
Foto: Keystone
Die Freude der Medaillenfavoritin nach ihrem dritten und entscheidenden Sprung war bei ihrer Olympiapremiere riesig, ihre Erleichterung aber ebenso. Mit einem mittelprächtigen zweiten Run war der ohnehin schon grosse Druck ins Unerträgliche gestiegen. Dass der Server des grössten chinesischen Kurznachrichtendienstes «Sina Weibo» kurz nach ihrem Triumph überlastet war, zeigt die Begeisterung und welche Dimensionen die Erwartungen der Einheimischen angenommen haben. Sie ist ein Social-Media-Star in Ost und West. Die parteinahe Zeitung «Global Times» schrieb: «Gu ist die neue Ikone Chinas.» Der erste Goldmedaillengewinn einer chinesischen Sportlerin im Skisport sei «eine historische Errungenschaft».
«Wenn ich in den USA bin, bin ich Amerikanerin, wenn ich in China bin, Chinesin.»
Eileen Gu
Ja, was denn jetzt? Wenig überraschend war dies an der Medienkonferenz wieder die Frage. Denn China duldet neben dem chinesischen Pass keinen zweiten. Würde also heissen, Eileen Gu musste die amerikanische Staatsbürgerschaft aufgeben, als sie sich für China entschied. Bisher hat sich die Athletin dazu diplomatisch oder wenig aussagekräftig geäussert: «Wenn ich in den USA bin, bin ich Amerikanerin, wenn ich in China bin, Chinesin.» Nun wollte sie dazu nichts mehr sagen, oder durfte sie nicht? Nur das: «Beide Länder haben mich immer sehr unterstützt.»
Eine der wenigen Wintersport-Grössen: Eileen Gu auf einem Werbeplakat für Peking 2022.
Eine der wenigen Wintersport-Grössen: Eileen Gu auf einem Werbeplakat für Peking 2022.
Foto: Getty Images
Eileen Gu kann minutenlang reden, sei es in Englisch, sei es in Mandarin. Und möglicherweise wird sie dazu noch zweimal Gelegenheit haben. Denn sie ist die Einzige, die sich die beiden weiteren Freestyle-Wettkämpfe Slopestyle (Final am Montag) und Halfpipe (Freitag) zutraut. «Zweimal Gold und eine weitere Medaille» hat sie sich zum Ziel gesetzt – und dafür im vergangenen Jahr mit Misra Noto einen neuen Trainer verpflichtet. Noto ist nicht irgendwer, er ist Schweizer und führte 2018 Sarah Hoefflin und Mathilde Gremaud zu Gold und Silber.
Nach Olympia an die Stanford University
Als Eileen Gu einst erklärte, sie starte für China, um den Wintersport im 1,4-Milliarden-Land zu promoten, war sicher viel Idealismus eines Teenagers dabei. Doch scheint sie mit ihren Leistungen ihre Landsleute tatsächlich zu beeindrucken und sie auch zu erreichen. Die «Snow Princess», wie sie sie nennen, ist deshalb ein Segen für eine Regierung, die sich das mehr als ambitiöse Ziel gesetzt hat, mit den Spielen 300 Millionen Chinesen – oder mehr als ein Viertel der Bevölkerung – zum Schneesport zu bringen.
Aus lauter Idealismus dürfte die damals 15-Jährige aber nicht die Seiten gewechselt haben, denn, natürlich: Eileen Gu ist mittlerweile ein globaler Star. Vermarktet in beiden Ländern, die derzeit im Handelsstreit liegen, vermarktet aber auch in Europa. Sie gehört dem Red-Bull-Team an und ist dort Kollegin von Gremaud, Markenbotschafterin eines chinesischen Outdoor- und Wintersportriesen, fährt die Schweizer Skimarke Faction, wirbt für Schmuck und Mode und arbeitet als Model für Weltmarken wie Louis Vuitton.
Gemäss «Global Times» soll sie im vergangenen Jahr rund 13 Millionen Franken verdient haben. Ausruhen darauf will sie sich aber nicht: Das Studium wartet. Nicht in China oder irgendwo, sondern an der renommierten Stanford University. Dort, wo ihre Mutter schon studierte.
Auf Instagram hat sie eine Millionen Follower. Doch abseits der sozialen Medien stellt sich die Frage: Zu welchen Land fühlt sich Eileen Gu tatsächlich zugehörig. China oder USA? Bislang äußerte sich die Olympionikin stets diplomatisch: “Wenn ih in den USA bin, bin ich Amerikanerin, wenn ich in China bin, bin ich Chinesin.” Tatsache ist, dass China keinen zweiten Pass duldet. Das bedeutet, sie musste die amerikanische Staatsbürgerschaft aufgeben.
Die sportlichen Ziele von Gu sind jedenfalls äußerst ambitioniert. Nach Gold im Big Air möchte sie nachlegen. Chinas Jungstar (18) gehört nach dem Weltmeistertitel 2021 auch im Slopestyle zu den Topfavoriten. Die Frauen legen bereits am Sonntag (3.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit) mit der Qualifikation vor. Im vergangenen Jahr verpflichtete sie mit Misra Noto auch einen neuen Trainer. Die “Schneeprinzessin” möchte dadurch mehr Chinesen zum Skisport bringen.
China und die USA liegen derzeit im Handelsstreit. Das hinter Eileen Gu aber nicht daran, sich global zu vermarkten – auch in Europa. So gehört sie dem Red-Bull-Team an. Sie fährt mit der Skimarke Faction aus der Schweiz und ist darüber hinaus Markenbotschafterin eines chinesischen Outdoor-und Wintersportriesen Anta Sports Products. Hinzu kommen Werbetätigkeiten für Therabody, Schmuckhersteller Tiffany oder die Modemarke Brunello Cucinelli.
Um ihre Zukunft muss sich der Superstar jedenfalls nicht fürchten. Laut der “Global Times” verdiente sie im vergangen Jahr 13 Millionen Franken (12,4 Millionen Euro). Trotz ihres Kontostands wird sie im Herbst ein Studium an der renommierten Stanford Universität beginnen.
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