Einer der größten Fälle der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) landete heute vor dem Richter: Im Landesgericht Wien müssen sich nicht weniger als zehn Angeklagte wegen des Verdachts der Bestechung, der Bestechlichkeit und möglichen Amtsmissbrauch verantworten, es sind auch Top-Promis aus Österreichs Immobilien- und Investment-Branche darunter.

Die Angeklagten: Der frühere Planungssprecher der Wiener Grünen Christoph Chorherr,  dazu der Investment-Profi Wilhelm Hemetsberger (in der Szene auch als “der rote Willi” bekannt), Immobilien-Tycoon und frühere Falter-Mitbesitzer Günter Kerbler, Bauherr Erwin Franz Soravia, der bekannte Wiener Großunternehmer Michael Tojner, Peter Steuerer, Hermann Klein, Klaus Edelhauser, Franz List sowie René Benko, der Milliardär und Hälfte-Eigentümer der Kronenzeitung.

Live-Ticker ab neun Uhr

Ein Hauptvorwurf der WKStA gegen Christoph Chorherr: Seine Bekannten aus der Immobilienbranche und aus der Finanzwelt  hätten von seinem Afrika-Hilfsprojekt s2arch/ithuba gewusst und dieses mit großen Beträgen unterstützt – laut den Ermittlern könnten sie sich dafür auch Gegenleistungen erwartet haben. Zehn Jahre Haft drohen dem ehemaligen Gemeinderat.

Und so begann heute der erste Prozesstag:

Die Anwälte der insgesamt zehn Angeklagten zeigen sich insgesamt verschlossen, nur zwei geben vor der Presse ein kurzes Statement ab. Ihre Mandanten weisen jede Schuld von sich, heißt es kurz angebunden. Die Bänke sind gefüllt, auch Christoph Chorherr ist bereits da. Alle Angeklagten sind im Saal –vom Richtertisch aus gesehen sitzt Chorherr ganz rechts, ganz links René Benko. Neben Chorherr sitzt der “rote Willi” Hemetsberger, neben ihm Günter Kerbler und daneben Erwin Soravia.

Chorherr drohen wegen Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch bis zu 10 Jahre HaftAPA

Personalien der Angeklagten werden abgefragt

Vorsitzenden des Richtersenats ist Michael Tolstiuk, er startet die Verhandlung mit der Klärung der Personalien aller Angeklagten. Chorherr wird als erster aufgerufen, er sagt aus, dass er momentan 2800 Euro netto verdient, angestellt ist und als Bäcker arbeitet. Dann wird Tojner aufgerufen, er ist Wiener Großunternehmer im Industriebereich und hat 11.000 Mitarbeiter bei sich beschäftigt.  Der “rote Willi” Hemetsberger verweigert die Auskunft über Gehalt und Beschäftigung, so auch Unternehmer Erwin Soravia. Auch Immobilien-Schwergewicht Kerbler macht dazu keine Aussage. Weitere Angeklagte, Soravia-Mitarbeiter Herr S. , Herr E. und der Immobilienunternehmer Herr L. werden vernommen. Auch Rene Benko macht keine Aussage zu seinem Vermögensstatus. Auch die Daten der angeklagten Organisationen werden verlesen, vorne weg der Verein s2Arch, der mehrere Millionen Euro Spenden erhalten hat.

Amtsträger wie Chorherr, "die sich schmieren lassen"

Der Staatsanwalt hält sein Eröffnungsplädoyer, “spende an den Verein und du bekommst was”, fasst er sinngemäß die Abläufe in Chorherrs früherem Einflussbereich zusammen. Am Handy von Tojner habe man solche Kommunikationsstränge nachweisen können – “da hat sich die ganze Netzwerkerei erwiesen”. Die Spenden an Chorherr Verein würden belegen, dass sich in Österreich in Sachen Korruption nichts verbessert habe, “weil Amtsträger wie Chorherr sich schmieren lassen”.

Chorherr bekennt sich nicht schuldig: "Wer arbeitet, macht Fehler"

Anwalt Richard Soyer gibt daraufhin in seiner Eingangsrede bekannt, dass sich Chorherr “nicht schuldig” bekennen wird, er habe “immer mit den Bürgern in dieser Stadt auf Augenhöhe sein wollen” und kenne deshalb viele Menschen, die er dutze. Außerdem werde man nur zu rechtlichen Vorwürfen Stellung beziehen. “Wer arbeitet, macht auch Fehler”, sagt Soyer. Diese seien aber nicht so schwerwiegend, dass man ihn deshalb verurteilen müsse. Dass einige Unternehmer Chorherrs Projekte in Afrika für gut befunden haben, sei “nicht unanständig”. Ja, sein Mandant habe Fehler gemacht, aber das sei nicht strafbar. Es sei von Anfang an mit offenen Karten gespielt worden. Chorherr habe einen “Fehler gemacht, der pickt”, weil er 2011 nicht die Obmannschaft des Vereins, der später Spenden erhalten hatte, zurückgelegt hatte. Er habe dies einfach vergessen.

Verteidigung: Prozess gleicht "Hochamt"

“Dass Unternehmer berechtigte Interessen verfolgen, ist legitim”, befindet Soyer. Aber die Vorgänge würden keine Anklage rechtfertigen. Der Anwalt begründete die Tatsache, dass 2011, also kurz nach Regierungseintritt der Grünen in Wien, die Spenden angestiegen seien: Dies habe damit zu tun, dass Chorherr ab diesem Zeitpunkt öffentlichwirksamer aufgetreten sei. “Es sind nur Spekulationen zu Lasten des Angeklagten.” Es hätten auch nicht wohlhabende Personen gespendet, hob er hervor.  Den Prozess kritisiert der Anwalt  als “Hochamt”.

Causa Heumarkt "völlig transparent verlaufen"

Nun folgen die Plädoyers der Anwälte von Immobilienunternehmer Michael Tojner. Dieser wird von der WKStA mit dem Areal am Wiener Heumarkt in Verbindung gebracht. Das Gebiet um den Eislaufverein und das Akademisches Gymnasium im ersten Bezirk sei eine völlige “Gstettn”, die es zu revitalisieren gelte. Tojner habe die Grundstücke erworben und wollte zunächst nur das Hotel Intercontinental neu gestalten – die Stadt Wien sei aber an ihn heran getreten und habe ihn gebeten, das Gesamtareal neu zu gestalten. Neben Chorherr seien auch “99 andere Gemeinderäte” involviert gewesen, die in den Umwidmungsprozess involviert waren. Die Idee, “Ich gehe zu Chorherr und hole mir meine Flächenwidmung ab”, sei abstrus und völlig ausgeschlossen. Tojners Anwalt plädiert auf Freispruch.

Der Mitangeklagte Michael Tojner.APA/GEORG HOCHMUTH

Hemetsberger-Anwalt: "Ithuba ist sein Lebensprojekt"

Auch Willi Hemetsbergers Anwalt Michael Rami – er verteidigte auch Ibiza-Anwalt Mirfakai – sieht keine Schuld bei seinem Mandanten. Der erfolgreiche Banker habe für Ithuba gespendet, da er selbst aus bescheidenen Verhältnissen stamme. Er sei vom Projekt vollends begeistert gewesen, und sogar selbst nach Südafrika gereist. Er bittet um Freispruch.

Kerblers Anwalt Pauer spricht von mangelnden Beweisen. Er erklärt den Schöffen, dass es im Strafverfahren um Beweise gehe. Außerdem steche sein Mandant besonders hervor: Bei seinem Bauprojekt sei es nicht zu einer Umwidmung gekommen, ihn und Chorherr verbinde eine jahrzehntelange Freundschaft.

Soravia-Anwalt ortet Klassenkampf

Der Anwalt von Erwin Soravia, Norbert Wess, spricht ebenfalls von mangelnden Beweisen und beginnt sogleich, die Staatsanwaltschaft zu korrigieren. Falsch ist, dass Chorherr als “nicht amtsführender Stadtrat” ab 2011 bezeichnet wurde. “Das ist falsch, so ehrlich muss man sein”. Weiters wird Chorherr als “Planungsstadtrat” bezeichnet, was er auch nicht gewesen sein soll. Vielmehr war er Planungssprecher der Grünen. Ebenfalls nicht gewesen sei er “führender Stadtrat”. Auch stört den Anwalt, dass der Prozess sich zu einer Art Klassenkampf entwickeln würde. Es dürfe nicht sein, dass Wirtschaftstreibenden per se abgesprochen werde, auch Gutes tun zu wollen. “Da hört sich für mich der Spaß auf”, so Wess. Soravia habe immer schon sehr ausgiebig und viel gespendet. Auch habe sein Mandant Gemälde erstanden, deren Erlös von den Künstlern an das Charity-Projekt in Afrika geflossen seien. Die Schöffen sollen sich nun selbst ein Bild machen und entscheiden, ob der “Homo economicus nichts Gutes mehr tun darf”.

Herr S. wollte Soravia mit Spende eine Freude machen

Der Verteidiger des Mitangeklagten Herrn S. will sich kurz fassen – Sein Mandant ist Mitarbeiter in Soravia Immobilienfirma. “Seine Welt sind die Zahlen”, sagt er. Dieser habe beim 50. Geburtstag von Soravia und seiner Zwillingsschwester ebenfalls ein Bild erworben, dessen Erlöse nach Afrika geflossen seien. Auch habe er zugestimmt, 1500 Euro jährlich an die Organisation zu spenden, dies habe er im Vorfeld mit seiner Frau besprochen. Er habe Soravia eine Freude machen wollen. Dass das irgendwas mit Chorherr zu tun habe, sei “rein spekulativ und falsch”.

Benko-Anwalt: "Kein Versuch des Beweises"

Stefan Prochaska, Anwalt von Rene Benko, spricht davon, so eine Anklage noch “nie gelesen” zu haben.  Sie enthalte “keinen Versuch des Beweises”. Benko sei nicht einmal von der WKStA befragt worden. Wäre er gefragt worden, hätte er sagen können, dass er nie mit Chorherr geredet habe. Willi Hemetsberger habe ihn auf das Projekt Ithuba und eine Spende angesprochen, er selbst habe dann eben auch 100.000 Euro gespendet. “Na guat, in Gottsnamen, dann spenden wir auch 100.000 Euro”, habe Benko gesagt. Er und seine Familie spenden seit langem für  karitative Organisationen. Es befinde sich kein Zusammenhang zwischen Benkos Bauprojekt und der Spende, “kein vernunftorientierter Mensch würde so etwas tun”, besonders deswegen, weil die Rahmenbedingungen längst vorbestimmt gewesen seien.

Auch Signa-Eigentümer Rene Benko ist Mitangeklagter.APA

Nun sprechen die Anwälte der Gesellschaften und Vereine, die ebenfalls angeklagt sind. Der Anwalt, der die vier Gesellschaften von Tojner vertritt, spricht von “keinem Vorteil”. Bei allem Verständnis für die Wichtigkeit der WKStA hätte diese jedoch schon nachvollziehbar darlegen müssen, wie sie überhaupt zur Anklage komme. Er beantragt die Abweisung des Antrags auf Verhängung einer Geldbuße. Jakob Urbanek – er vertritt die Montanatech von Tojner – bestreitet ebenfalls jegliche Involvierung. Auch dieser Industriegruppe wirft die WKStA vor, beim Projekt Heumarkt einen Vorteil erlangt zu haben – Tojner war damals Geschäftsführer. Die Gesellschaft sei aber in dieses Projekt nicht involviert gewesen, man habe unabsichtlich falsche E-Mail-Adressen von Tojner, der mehrere habe, verwendet. “Ich frage mich, wieso wir alle da sitzen”, sagt Urbanek.

Der erste Prozesstag ist vorbei, erst nächsten Montag geht es weiter.

Für den ithuba Afrika-Verein wurde von mehreren Immobilien-Unternehmern eine Summe von insgesamt 4,3 Millionen Euro gespendet.