Israels neuer Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, hat am Dienstag den Tempelberg in Jerusalem besucht. Das ist dem „Standard“ einen Bericht wert. Der Artikel erwähnt zunächst die Al-Aksa-Moschee, „das drittwichtigste Heiligtum des Islam“, das vom dortigen Areal beherbergt wird. Dann geht er auf die Bedeutung des Ortes für das Judentum ein: „Juden vermuten (!) auf dem Hügel die historische Stätte des Tempels, sodass es für manche fromme Juden eine wichtige Pilgerstätte ist.“

Das löst Stirnrunzeln aus – höflich formuliert. Hier werden Zweifel über den Ort eines der wichtigsten Heiligtümer des Judentums genährt, der gerade der Grund für die zentrale Bedeutung des Tempelbergs für die Juden ist.

Der heiligste Ort

Der Tempelberg ist ein Hochplateau in der Altstadt von Jerusalem und wurde von König Herodes vor etwa 2000 Jahren errichtet. Für Juden ist er der heiligste Ort, denn hier haben sich der Erste und Zweite Tempel befunden.

Jüdisch-orthodoxe Gläubige lesen die Thora und beten vor der Klagemauer in der Altstadt von Jerusalem in Israel.Getty

Der erste Jerusalemer Tempel wurde von König Salomon erbaut. Die Babylonier zerstörten nach der Eroberung Jerusalems den Salomonischen Tempel. Nach dem Babylonischen Exil begann der Wiederaufbau des Zweiten Tempels. Er wurde um 515 v. Chr. mehrfach umgebaut und unter Herodes dem Großen stark erweitert und neu konzipiert, bis er bei der Eroberung Jerusalems durch römische Truppen im Jahr 70 n. Chr. zerstört wurde. Noch heute sind die großen Felsblöcke an der Klagemauer zu sehen.

Klagemauer Teil des Herodianischen Tempels

Die heutige Klagemauer stellt einen Teil der westlichen Stützmauer des ursprünglichen Tempelplateaus dar. Sie ist nicht eine Mauer des Tempels selbst. Ist ist heute für Juden der wichtigste religiöse Ort, da sich dieser Teil am nächsten zum ursprünglichen Standort des einstigen Tempels befindet.

Auch für Muslime hat der Tempelberg eine besondere Bedeutung: Der vom Felsendom umschlossene Fels ist ihnen zufolge der Ort, von dem ihr Prophet Mohammed die Reise in den Himmel angetreten hat, gemäß dem Koran.

Die missglückte Formulierung des „Standard“ – „die Juden vermuten“ – löst Erstaunen aus. Bisher hat sich von Seiten der Politik  nur Leo Kohlbauer, Pressesprecher der Wiener FPÖ, zu Wort gemeldet: „Kaum regiert in Jerusalem eine rechte Regierung, nimmt der linke Antisemitismus an Fahrt auf“, kommentiert er.