Mindestens 261 antisemitische Vorfälle ereigneten sich in Deutschland von 9. bis 24. Mai, während des Krieges der radikal-islamischen Hamas gegen Israel. Zu diesem Befund gelangen der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) und das Internationale Institut für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung (IIBSA) in einem neuen Bericht. Maßgeblicher Aggressor waren den Studienautoren dabei islamistische Organisationen, die schon vor Kriegsausbruch eine hasserfüllte Atomsphäre erzeugten. Diese missbrauchten religiöse Feiertage für islamistische Zwecke und antisemitische Hetze.

Eine vergleichbare Welle an Gewalt gegen Juden hatte es in Deutschland seit 1945 nicht mehr gegeben. Die Studienergebnisse belegen einen Hass auf Juden und den jüdischen Staat, der in islamistischen Kreisen besonders stark ist und dort auch regelmäßig genährt wird. (Eine ausführliche Zusammenfassung befindet sich auf mena-watch.)

Schlimmste antisemitische Vorfälle seit 1945

Elf Tage dauerte Krieg, den die Hamas mit tausende Raketen auf den jüdischen Staat damals begonnen hat. Die israelische Armee reagierte mit Militärschlägen aus der Luft. Aggressive antisemitischen Demos in sämtlichen deutschen Städten – auch in Österreich – waren die Folge, Anschläge auf Synagogen, Verbrennungen von Israelflaggen und Angriffe, Bedrohungen und Beleidigungen gegen Juden häuften sich in einem so seit 1945 nicht mehr gekannten Ausmaß in Deutschland.

Eine Demonstrantin hält ein Schild, das an die Al-Aqsa Moschee in Jerusalem erinnert, hoch, bei einem Protest in Berlin am 19. Mai 2021.APA/AFP/John MACDOUGALL

Dokumentiert sind alle bekannten Vorfälle im 75-seitigen Bericht “Mobilisierungen von israelbezogenem Antisemitismus im Bundesgebiet 2021”, darunter 10 körperliche Angriffe, 18 Bedrohungen, 22 gezielte Sachbeschädigungen, 7 Fälle von Hetze in Massenzuschriften, 204 Fälle von verletzendem Verhalten, also antisemitische Beleidigungen und Beschimpfungen. Bei 76 dieser Fälle von verletzendem Verhalten handelt es sich um antisemitische Inhalte, die auf Schildern oder als Parolen verbreitet wurden.

Aufstachelung zu Gewalt ging vor allem von Islamisten aus

“Den Höhepunkt bildete Samstag, der 15. Mai, an dem 59 antisemitische Vorfälle mit Bezug zur diesjährigen Eskalation dokumentiert wurden”, heißt es im Bericht von RIAS und IIBSA. An diesem Tag war mit mehr als 17.500 Personen auf 43 Versammlungen auch die größte Zahl an Kundgebungsteilnehmern zu verzeichnen.

Demonstranten gegen Israel am 15. Mai 2021 in BerlinAPA/AFP/STEFANIE LOOS

Die Akteure gehörten dem links/antiimperialistischen Spektrum an, kam teils aus der politischen Mitte, auch nationalistisches und neonazistisches Gedankengut tauchte auf. Zur Verbreitung von antisemitischem Hass und zur Aufstachelung von Gewalt haben dem Bericht zufolge aber besonders Sympathisanten islamistischer Organisationen beigetragen, namentlich der Hamas, der Muslimbruderschaft, der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), der Millî-Görüş-Bewegung und des türkischen Diyanet.

Muslimbruderschaft schürte Hass vor Kriegsausbruch

Diese haben demnach bereits vor Beginn der bewaffneten Auseinandersetzung eine Atmosphäre des Hasses geschürt, vor allem die Netzwerke der Hamas und der Muslimbruderschaft hätten sich auf Jerusalem und die dortige Al-Aqsa-Moschee konzentriert, um dem Konflikt einen islamistisch-religiösen Stempel aufzudrücken. So konnten sie auch eine Brücke zwischen den arabisch- und den türkischsprachigen Akteuren schlagen. Die Eskalation des Konflikts sei auf das Ende des Ramadan gelegt worden, um eine internationale religiöse Fokussierung auf Jerusalem und die Al-Aqsa-Moschee zu erreichen.

"Freiheit für Palästina" fordern Demonstranten am 19. Mai 2021.APA/AFP/John MACDOUGALL

Mit Erfolg: Neben Beiträgen von Akteuren aus dem neonazistischen Spektrum und von deutschsprachigen antiisraelischen Aktivisten seien “besonders radikale Reden und Gewaltaufrufe auf Demonstrationen und in Posts in sozialen Medien auch in arabischer und türkischer Sprache verfasst” worden.

Hetze in Moscheen, Hamas-Leute initiieren Aufmärsche

Als die Hamas mit ihrem Raketenbeschuss begann, wurden nach dem Ende des Ramadan „die beiden darauf folgenden Tage, Freitag, der 14. und Samstag, der 15. Mai (zum Ende des Zuckerfests) (…) in vielen Moscheen in der ganzen Welt Jerusalem, der Al-Aqsa-Moschee und Palästina im Zusammenhang mit dem Krieg gewidmet“.

Für die Organisation und Bewerbung der Aufmärsche im Mai hätten wesentlich die deutschen und europäischen Strukturen der Hamas-Anhänger verantwortlich gezeichnet, insbesondere die Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland (PGD), unterstreichen RIAS und IIBSA. Bei der PGD handelt es sich dem Berliner Verfassungsschutz zufolge um einen „Dachverband palästinensischer Organisationen in Deutschland, deren Mitglieder überwiegend der Hamas angehören oder mit ihr sympathisieren“.

Mehrere Ereignisse in chronologischer Reihenfolge:

Am 11. Mai dieses Jahres bewerfen mehrere Personen die Fensterfront der Synagoge in Bonn mit Steinen und setzen eine Israelflagge in Brand.

Am 12. Mai ziehen Teilnehmer einer nicht angemeldeten Demonstration in Gelsenkirchen in die Nähe der dortigen Synagoge und rufen “Scheiß Juden” sowie “Kindermörder Israel”.

In der Nacht zum 13. Mai wird ein Stein auf ein Fenster der Synagoge in Mannheim geworfen.

Einige Stunden später werden in Bremen eine Pressevertreterin und ein Pressevertreter, die eine antiisraelische Manifestation dokumentieren, als “dreckige Juden” und “dreckige Bastarde” beleidigt.

Zwei Tage später, am 15. Mai, ist auf einer antiisraelischen Kundgebung in Leipzig ein Plakat zu sehen, auf dem es heißt: “Es ist wichtig zu wissen, dass Israelis die internationalen Medien unter Kontrolle haben.” Teilnehmer an der dortigen Gegendemonstration werden unter anderem als “Fotzen-Juden” beschimpft.

Am selben Tag zeigt auf einer Kundgebung in Oldenburg jemand ein Plakat, auf dem geschrieben steht: “Israel trinkt das Blut unserer Kinder aus dem Glas der Vereinten Nationen” – eine modernisierte Variante der alten Ritualmordlegende.

In jenen Tagen im Mai wird auf Versammlungen in Gelsenkirchen, Hannover, Bremen, Halle an der Saale, Bielefeld, Berlin, Hamburg, Mannheim und Münster die islamistische Parole “Khaibar, Khaibar, ya yahud, jaish muhammad saya‘ud!” gerufen, zu Deutsch: “Khaibar, Khaibar, oh Juden, erinnert euch an Khaibar, die Armee Mohammeds kehrt zurück!” Diese Parole erinnert an einen Feldzug des Propheten Mohammed im Jahr 628 gegen ein von Juden bewohntes Gebiet im heutigen Saudi-Arabien. Er endete mit der Eroberung des Territoriums und verschiedenen Quellen zufolge mit einem Massaker an einem Teil der jüdischen Bevölkerung.