Anlässlich des Tags der Kriminalitätsopfer hat sich ein vom Innenministerium und der Verbrechensopferhilfe Weißer Ring veranstaltetes Symposium am Dienstag dem Phänomen der situativen Gewalt gewidmet. Mit dabei waren auch Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). “Das Problem der situativen Gewalt ist leider ein bisschen stiefmütterlich behandelt worden”, bemerkte Udo Jesionek, der Präsident des Weißen Rings. Es sei “nicht wirklich einzusehen”, dass in derartigen Fällen von Gewalt die Opfer häufig nicht zu ihren Rechten kommen.

Situative Gewalt steht für Gewalt zwischen Personen, die keine nähere private Verbindung zueinander haben. Ein Blick in die Kriminalitätsstatistik zeigt, dass das weit häufiger vorkommt als allgemein angenommen. 2021 hat es bei Delikten gegen Leib und Leben in 39,5 Prozent der behördlich erfassten Fällen keinerlei Vorbeziehung zwischen Täter und Opfer gegeben. Bei schwerwiegenden Straftaten gegen Leib und Leben, die mit mehr als drei Jahren Haft bedroht sind, war sogar in 58,1 Prozent der Fälle keine persönliche Beziehung vorhanden.

Udo JesionekQuelle: APA

Der Präsident des Weißen Rings, Udo Jesionek: "Mit gutem Willen ist alles machbar"

Während bei partnerschaftlicher Gewalt die unmittelbare Übermittlung der Daten seitens der Polizei an Gewaltschutzzentren gesetzlich verankert und insofern die Betreuung von im Regelfall von männlicher Gewalt Betroffenen gewährleistet ist, fehlt eine derartige Bestimmung bei Opfern von situativer Gewalt. “Auch diese müssen rasch und unbürokratisch über ihre Rechte in Kenntnis gesetzt werden”, betonte Jesionek. Er forderte daher – angelehnt an den Rechtsschutz bei familiärer bzw. häuslicher Gewalt – vom Gesetzgeber “eine analoge Bestimmung”.

Konkret schlug Jesionek vor, die Exekutive sollte jedenfalls bei schwerer Gewalt auch bei “zufälligen” Verbrechens-Opfern mit deren Zustimmung zukünftig ihre Daten weiterleiten, um umgehend ihre professionelle Betreuung durch spezialisierte Opferschutzeinrichtungen möglich zu machen. Allfällige datenschutzrechtliche Bedenken oder sonstige Einwände ließ Jesionek mit der launigen Bemerkung “Hört’s mir auf mit der Systemwidrigkeit, mit gutem Willen ist alles machbar” nicht gelten.

Justizministerin Alma Zadic: "Wir werden einen Weg finden, auch die Opfer situativer Gewalt zu unterstützen"

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), die zum Auftakt der Veranstaltung persönlich zugegen waren, ließen Gesprächsbereitschaft erkennen. Man müsse “prüfen, ob die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten ausreichen”, sagte Zadic: “Wir werden einen Weg finden, auch die Opfer situativer Gewalt zu unterstützen.” Datenschutz sei “ein hohes Gut, ein sensibles Gut”, meinte Karner. Dessen ungeachtet gelte es, “alle Opfer besser zu betreuen”, pflichtete Karner Jesionek bei.