Eine Telegram-Gruppe rund um den österreichischen Neonazi und Shoah-Leugner Gottfried Küssel wettert gegen Juden und selbst Holocaust-Überlebende. Zur Entscheidung der türkis-blauen Koalition, den Nachkommen von NS-Opfern Doppelstaatsbürgerschaften zu verleihen, meint sie: “Die Überfremdung unsrer Heimat geht munter weiter.” Dass Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) heimische Polizisten gegen Antisemitismus sensibilisieren will, kommentiert die radikale Gruppe mit: “Die Gehirn- und Charakterwäsche wird ausgeweitet.” Nun haben die Rechtsextremen zwei jüdische Persönlichkeiten in Wien zu Feinden erklärt – zur Empörung von Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.

Die Telegram-Gruppe bedroht Bini Guttmann, Präsident der European Union of Jewish Students, und seine Schwester Lara Guttmann, Co-Präsidentin der Jüdischen österreichischen Hochschüler. “Einige Juden zeigen was sie von unserer deutschen Kultur halten”, hetzt die Gruppe auf dem sozialen Netzwerk. “Im Dunkel der Nacht vergreifen sie sich an Straßentafeln die an die großen unseres Volkes erinnern.”

Die “Großen”, um die es dabei geht, sind einstige Antisemiten und Nationalsozialisten, nach denen 23 Wiener Straßen benannt sind. Anlässlich des 83. Gedenktags an die Novemberprogrome haben die beiden Geschwister gemeinsam mit anderen jüdischen Aktivisten die 23 Straßennamen überklebt, und zwar mit den Namen wichtiger Widerstandskämpfer.

Betroffen davon war etwa die Kloepferstraße im 22. Wiener Gemeindebezirk, benannt nach dem steirischen Arzt und Dichter Hans Kloepfer (1867-1944), der 1938 Hitlers Einmarsch euphorisch im “Bekenntnisbuch österreichischer Dichter” bejahte und einschlägige Gedichte verfasste. Er erhielt im Dritten Reich zahlreiche Preise, Ehrenmitgliedschaften und eine NSDAP-Nummer aus dem Kontingent für “verdiente” Österreicher. Ein Wien-Bezug lässt sich in Kloepfers Wirken nicht nachweisen. Die Aktivisten überklebten den Straßennamen mit “Chana-Szenes-Straße” zur Ehrung der ungarischen Widerstandskämpferin Hannah Szenes (1921-1944), die von den Nazis hingerichtet wurde.

Aktivisten fordern auch Umbenennung nach christlichen Widerstandskämpfern

Aus der Müller-Guttenbrunn-Straße im 14. Bezirk wiederum wurde die Franz-Jägerstätter-Straße, benannt nach Österreichs berühmten Widerstandskämpfer und Kriegsdienstverweigerer Jägerstätter (1907-1943), der 2007 von der katholischen Kirche selig gesprochen wurde. Adam Müller-Guttenbrunn(1852-1923) hingegen war ein Schriftsteller. Als Direktor des “Kaiserjubiläums-Stadttheaters” (heutige Volksoper) verfolgte er einen “judenreinen” Kurs mittels dezidiert antisemitischem Spielplan. Dieser ging so weit, dass es seitens der Statthalterei Niederösterreich zu Aufführungsverboten bestimmter Stücke (“Söhne Israels” von Litwin Kriloff und S. K. Litwin oder “Harte Hände” von Roman Bozykowski) kam und sich sogar der damalige Wiener Bürgermeister Karl Lueger davon distanzierte.

Eine Widerstandskämpferin, nach denen eine Straße Wiens den Aktivisten zufolge umbenannt werden sollte, ist die Ordensschwester Anna Bertha Königsegg (1883-1948), die das Euthanasieprogramm der Nazis bekämpfte.

Über Plätze und Straßen, die die Namen ehemaliger Nazis oder prominenter Antisemiten trage, gibt es unterschiedliche Ansichten. Manche wollen mit Schildern auf den Hintergrund der Personen hinzuweisen, ohne die Orte umzubenennen. Die rechtsextreme Telegram-Gruppe geht es um anderes. Sie attackiert die beiden jüdischen Geschwister und bedroht sie unverhohlen: “Köpfe dieser Organisation sind Lara und Bini Guttmann. Namen die man sich merken wird müssen.”