“Memories from our time in Riga”, übertiteln die Medien-Mitarbeiter der “USS Kearsarge” ihren Facebook-Eintrag vom Montag. Kurz zuvor war das gewaltige Landungsschiff der US-Navy, das senkrechtstartende Kampfbomber vom Typ “AV-8B Harrier” und Kampfhelikopter sowie 4000 Soldaten und Spezialkräfte an Bord hat, in der Nähe der beiden Gas-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2.

Ein Foto vom 22. September zeigt einen der “Harrier”-Jets an Deck der “USS Kearsarge” und im Hintergrund die Brücke über den “Großen Belt”. Das Foto wurde also nur 256 Kilometer entfernt vom späteren Tatort geschossen – der US-Flottenverband war also am 21. September noch in jener Ostsee-Region, in der die beiden wichtigen Gas-Pipelines mit drei Explosionen am 26. September, also 5 Tage später, zerstört worden sind.

Ein "Harrier" der "USS Kearsarge" vor der gewaltigen Brücke über den Großen Belt vor Dänemark, am 22. September fotografiert. Nur 256 Kilometer vom Tatort der Anschläge entfernt.
Fotos der "USS Kearsarge"-Besatzung von Riga, Lettlands Haupstadt: Die Route des US-Flottenverbands aus der Ostsee Richtung Atlantik führte direkt an den jetzt zerstörten Pipelines vorbei.

Heftige Debatten auf allen Social-media-Kanälen & im eXXpress-Leserforum

Natürlich kann das nun purer Zufall sein, dass ein US-Flottenverband in der Nähe in der Ostsee operiert, wenn die komplett ausgelastete Pipeline Nord Stream 1 sowie die noch immer nicht offiziell betriebene Leitung Nord Stream 2 mit Sabotage-Aktionen unterbrochen werden. Allerdings bindet dieser Terrorakt Westeuropa noch mehr an die Flüssiggas-Lieferungen aus den USA – und gibt allen Gegnern Russlands noch ein Argument, mit dem Hinweis auf die “unsichere Gasversorgung” den Totalausstieg aus den russischen Gaslieferungen zu forcieren.

Andererseits wäre genau diese Flottenpräsenz besonders auffällig und würde sofort den Verdacht auf die US-Regierung lenken – was aber wiederum eine Art Doppel-Bluff sein könnte, wie auf Social-media-Kanälen bereits sehr emotional diskutiert wird.

Natürlich wäre noch eine dritte Variante denkbar: Der Kreml nutzt die Präsenz der US-Flotte für einen zeitlich darauf abgestimmten Anschlag auf die Pipelines, um die US-Regierung unter Druck zu bringen und Europa noch mehr als bisher zu spalten. Was dagegen sprechen würde: Der russische Energie-Konzern Gazprom hat bisher noch immer kräftig an den Lieferungen nach Westeuropa (auch an Österreich) verdient. Warum sollte sich also Moskau diese Einnahmequelle sprengen und die Pipelines langfristig lahmlegen, wenn auch kurzfristig behebbare “Störungen” der Pipeline-Technik ebenso die EU-Staaten unter Druck setzen?

Eine Möglichkeit ist allerdings auszuschließen: Dass die Terroraktion von radikalen Klimaschützern begangenen worden sein könnte. Die Pipelines verlaufen südlich der Insel Bornholm in 70 Metern Tiefe, nur Kampftaucher mit Spezialausrüstung oder Spezial-U-Boote könnten dort Sprengsätze und Zeitzünder anbringen. Fakten, die den Kreis der möglichen Täter sehr einengen: Es müssen jedenfalls militärisch perfekt geschulte Profis gewesen sein, die drei Sprengladungen an zwei Pipelines fast zeitgleich zünden können.

Gewaltige Schlagkraft: Die "USS Kearsarge" hat "AV-8B Harrier"-Kampfjets an Bord, dazu noch insgesamt 4000 Soldaten, darunter auch Spezialeinheiten.
Der US-Flottenverband mit der "USS Kearsarge" war bis 22.9. von Riga Richtung Großer Belt und Atlantik unterwegs und muss die Insel Bornholm passiert haben.
Die Tatorte an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2