Es war der 13. November 2015. Nahe einem Fußballstadion töteten islamistische Angreifer im Konzertsaal Bataclan, vor Cafés und Restaurants 130 Menschen. Nun kam es zu einem Großprozess, der die Hintergründe des Anschlags klären soll. 20 Männer sind angeklagt. 14 von denen sind im eigens eingerichteten Gerichtssaal anwesend. Unter ihnen befindet sich auch der alte Hauptangeklagte Salah Abdeslam (32). Er ist noch das einzig lebende Mitglied des Pariser Terrorkommandos. Als Motiv nannte er in seiner ersten Äußerung die Vergeltung für Frankreichs Angriffe in Syrien.

Der ehemalige französische François Holland habe laut dem Franko-Marokkaner gewusst, dass er ein Risiko einging, als er den “Islamischen Staat in Syrien angriff.” Er soll zudem drei Attentäter zu einem der Tatorte gefahren haben. Sein ausführliches Verhör zur Tat im Jänner wird mit Spannung erwartet. Überlebende und Angehörige von Opfern hatten von Anfang Oktober an vier Wochen lang ihre grausamen Erlebnisse der Horrornacht geschildert. Besonders ergreifend waren die Berichte aus dem Konzertsaal Bataclan, wo viele sich tot stellten, um nicht die Aufmerksamkeit der Angreifer auf sich zu ziehen. “Sie haben auf uns geschossen wie auf Hasen”, sagte Cédric, ein 41 Jahre alter Überlebender.

Oussama Atar gilt als Drahtzieher der Anschläge

Hollande selbst kam unter hohen Sicherheitsvorkehrungen ins Gericht. Er rechtfertigte die damals getroffenen Entscheidungen. Er zeigte sich überzeugt, dass der Auslöser der Anschläge nicht die Militäraktion in Syrien gewesen sei, sondern “unsere Lebensweise hier”. Hollande war bei dem Fußballspiel Frankreich-Deutschland im Stade de France, als vor dem Stadion die ersten Explosionen zu hören waren. Er rief noch in der Nacht den Notstand aus. Unter den mehr als 2000 Nebenklägern ist auch die Familie des deutschen Lehrers Fabian Stech, der im Bataclan getötet wurde. “Ich will zeigen, dass wir stark sind”, sagte seine Witwe zu Beginn des Prozesses.

Anfangs waren etwa tausend Ermittler damit befasst, die Gewalttaten zu rekonstruieren. Sie fanden heraus, dass es sich bei den Tätern um eine belgisch-französische Dschihadisten-Zelle mit engen Verbindungen nach Syrien handelte. Als Drahtzieher der Anschläge gilt Oussama Atar, ein Belgier mit marokkanischen Wurzeln, der die Bluttaten von Syrien aus koordiniert haben soll. Nach Einschätzung des französischen Geheimdienstes wurde er bei Angriffen in Syrien 2017 getötet. Am 13. November 2015 hatten jeweils drei mit Sprengstoffgürteln ausgestattete Männer zugeschlagen – eine Gruppe am Fußballstadion Stade de France, die nächsten in einem Ausgehviertel von Paris, die letzte im Konzertsaal Bataclan. Alle neun Attentäter sind tot.

Abdeslam war der einzige, der sich seines Sprengstoffgürtels entledigte und flüchtete. Warum er das tat, wird eine der zentralen Fragen bei seinem Verhör sein. Abdeslam wurde schließlich im Brüsseler Vorort Molenbeek aufgespürt, wo er aufgewachsen war. Mehrere der Attentäter waren aus Syrien mit falschen syrischen Pässen über die Flüchtlingsroute nach Europa gekommen. Neben Abdeslam sind vier weitere Männer angeklagt, die mutmaßlich für den Einsatz bei Anschlägen vorgesehen waren. Die übrigen Angeklagten haben mutmaßlich logistische Hilfe geleistet, indem sie Abdeslam bei der Flucht halfen oder falsche Papiere besorgten. Von den sechs abwesenden Angeklagten gelten fünf als tot, einer befindet sich in der Türkei in Haft.