Am Sonntag hat die Bundesregierung in einer Schnellschuss-Pressekonferenz den fertigen Entwurf für das Impfpflichtgesetz vorgelegt und damit viele Dämonen heraufbeschworen. Nicht nur Impfskeptiker gehen jetzt mehr denn je auf die Barrikaden – auch Experten mahnen mit den gesellschaftlichen Folgen.  Eines der größten Bedenken, die in diesem Zusammenhang geäußert werden, ist nicht zuletzt, dass die Grundlagen, auf denen das Gesetz aufbaut, längst überholt sind beziehungsweise nicht mehr dem letzten Wissensstand entsprechen.

Einer davon ist der Allgemeinmediziner und Gesundheitswissenschaftler Dr. Martin Sprenger. Der Grazer Top-Mediziner, der zu Beginn der Pandemie Teil der Corona-Taskforce war (diese aber aus eigenem Antrieb verließ, da er bereits damals einigen Regierungsmaßnahmen in Sachen Pandemiebekämpfung äußerst kritisch gegenüberstand, Anm.) meldete sich am Sonntag nach der Präsentation des Impfpflicht-Gesetzes via Facebook zu Wort – und zerpflückte den Gesetzesentwurf in all seinen Aspekten.

In mehreren Postings geht Dr. Sprenger auf die Basis des Impfpflichtgesetzes ein, welches laut der Erklärung durch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler am Sonntag – auf den drei Säulen des “gerechtfertigten Ziels”, des “effektiven Mittels” und der “Vehältnismäßigkeit” basiert – eine Basis, die für Sprenger schlichtweg nicht existiert und im besten Fall auf überholten Fakten konstruiert wurde.

Sprenger erinnert daran, dass andere Länder bereits auf einem ganz anderen Weg sind: “Während BBC in UK schon den Übergang in die endemische Phase skizziert (Großbritannien schafft mit 26. Jänner alle Corona-Maßnahmen ab, der eXXpress berichtete) wird am Donnerstag im österreichischen Parlament ein Bundesgesetz über die Impfpflicht gegen COVID-19 beschlossen – mit einem langen Hauptteil (Begründung) in dem zahlreiche Argumente nicht mehr auf dem letzten Wissensstand bzw. überholt sind”, prangert der Gesundheitswissenschaftler an.

Eine weitere der grundlegenden Annahmen, auf denen die Einführung der Impfpflicht in Österreich fußt, ist die Sorge vor einer neuen, noch ansteckenderen und noch gefährlicheren Corona-Mutation, die Omikron schon bald ablösen könnte. Man wolle hier nicht nur neue Lockdowns verhindern, sondern sich diesmal auch bereits vor einer potentiellen nächsten großen Herbstwelle schützen. Da das Virus mutiere, und man nach dem derzeitigen Wissenstand nicht abschätzen könne, wie lange der Impfschutz gegen eine Variante helfe, müsse man auch aufhören, die Impfungen zu nummerieren, sondern statt einem “3.Stich” und “4.Stich” und Co. lieber von “Auffrischungsimpfungen” sprechen, meinte Kanzler Karl Nehammer am Sonntag. Auch dieses Argument lässt Dr. Martin Sprenger nicht gelten.

“Mit Ausnahme unserer Bundesregierung bei der heutigen Pressekonferenz geht aktuell kaum jemand davon aus, dass Omikron von einer gefährlicheren Variante abgelöst wird”, schreibt er in einem anderen Posting. Und um jenen Kritikern seiner Person (aufgrund seiner Haltung zu den Coronamaßnahmen ist Dr. Sprenger seit Ausbruch der Pandemie eine höchst polarisierende Figur, Anm.) hier auch gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, zitiert Sprenger auch einen renommierten Kollegen, der als einer DER Coronaexperten gilt: Dr. Christian Drosten vom deutschen RKI. Sprenger lässt ihn für sich sprechen: “Christian Drosten sagt: ‘Die Bevölkerung baut Immunität auf und behält die auch.’ Und:”Deutschland sei jetzt ‘in dem Prozess”, bald die Pandemie für beendet erklären und die endemische Phase ausrufen zu können'”, zitiert Sprenger seinen deutschen Kollegen.

Damit fügen sich Drostens Worte auch in den Kurs von Großbritannien und Co. ein – nur ein kleines Land in Mitteleuropa geht hier einen anderen Weg, der nun ganz Österreich noch tiefer zu spalten droht. Denn, wie Sprenger in seinem Beitrag in erster Reaktion auf die Impfpflicht-Pressekonferenz am Sonntag schreibt: “Andere Länder in Europa bereiten sich auf den Ausstieg vor, Österreich entschließt sich für eine radikale wenig wissensbasierte Maßnahme. Der dadurch entstehende gesellschaftliche Schaden ist noch gar nicht absehbar …“