Die Türkei will auf lokale Waffenstillstände in der Ukraine drängen. Gleichzeitig warnte sie: Weder Moskau noch Kiew würden über die militärischen Mittel verfügen, um “den Krieg zu gewinnen”. Das erklärte der oberste außenpolitische Berater von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Es war der jüngste Versuch des NATO-Mitglieds Türkei, seine guten Beziehungen sowohl zu Moskau als auch zu Kiew zu nutzen, um den blutigsten Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg zu beenden.

"Russland möchte als wichtiger Akteur respektiert werden"

Erdogans außenpolitischer Berater Ibrahim Kalin hält gleichzeitig ein “übergreifendes Friedensabkommen” in den kommenden Monaten für unwahrscheinlich. Allerdings könnten die brutalen Kosten der Kämpfe beide Seiten dazu veranlassen, sich zu besinnen und lokale Waffenstillstände in bestimmten Teilen des Kriegsgebiets zu akzeptieren. “Die Türkei ist bereit, auf lokale Waffenstillstände und kleine lokale Deeskalationen zu drängen”, sagte Kalin vor Reportern. “Keine der beiden Parteien ist in der Lage, den Krieg vor Ort militärisch zu gewinnen.”

Der türkische Präsidentensprecher Ibrahim Kalin fordert: Der Westen muss auf Russland zugehen, ansonsten kann es keinen Frieden geben.APA/AFP/Adem ALTAN

Die Türkei kritisiert die derzeitige Haltung des Westens und der USA im Besonderen. Man müsse auch den Standpunkt Moskaus ernst nehmen. “Russland möchte als wichtiger Akteur respektiert werden und die NATO nicht in seinem Hinterhof haben”, sagte Kalin. “Russland ist an einer neuen internationalen Architektur (mit einigen) Sicherheitsgarantien interessiert.”

Kalin: Ukraine kann nicht bald der NATO beitreten

Washington lehnte Russlands Forderung nach einem Rückzug der NATO aus Osteuropa und anderen Sicherheitsgarantien in den Wochen vor der Invasion rundweg ab. Gemäß Kalin wird der Krieg aber erst enden, wenn der Westen und insbesondere die USA begännen, Russland als Weltmacht zu behandeln, die sich durch die Expansion der NATO nach Osteuropa nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bedroht fühle.

Ebenso wies Kalin die Vorstellung zurück, dass die Ukraine in absehbarer Zeit dem westlichen Verteidigungsbündnis beitreten könnte: “Die Ukraine wird nicht der NATO beitreten, aber sie braucht eine ausreichende Sicherheitsgarantie von Russland.”

Unter der Vermittlung der Türkei konnte das Getreideabkommen zustande kommen, das den Export von Getreide aus der Ukraine über das Schwarze Meer ermöglicht. Im Bild: Erdogan und Selenskyj.APA/AFP/Photo by UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE

Die Russland-Sanktionen sind "unwirksam"

Darüber hinaus will sich die Türkei weiterhin nicht an den westlichen Sanktionen gegen Moskau beteiligen. Diese sind Kalin zufolge unwirksam. Das berichtete danach die russische Nachrichtenagentur TASS. Ankara wolle sich an ihnen nicht beteiligen, weil sie der türkischen Wirtschaft mehr schaden als Moskau. Die bisherigen Maßnahmen hätten weder die russische Position verändert, noch den Ukrainern eine Gelegenheit gegeben, einen entscheidenden militärischen Sieg zu erringen.

Gemäß der TASS prognostizierte Erdogans Berater: Bei einer Verlängerung des Konflikts in der Ukraine werde Europa der Kämpfe überdrüssig werden und die Öffentlichkeit werde erklären, dass sie nicht bereit ist, Kiew zu unterstützen.