Mit bemerkenswerter Direktheit erklärte Twitters neuer Eigentümer Elon Musk am 24. Dezember in einem Podcast-Interview: „Um ganz offen zu sein, fast jede Verschwörungstheorie, die die Leute über Twitter hatten, hat sich als wahr herausgestellt. Gibt es eine Verschwörungstheorie über Twitter, die sich nicht als wahr herausgestellt hat? Bis jetzt haben sich alle als wahr herausgestellt. Wenn nicht sogar als wahrer, als die Leute dachten.“

Jüngstes Beispiel sind die neuen Enthüllungen rund um Covid.

US-Regierung drängte, alles zu sperren, was der offiziellen Linie widersprach

Die von Musk zur Verfügung gestellten Twitter Files zeigen, wie die Administration von US-Präsident Joe Biden massiven Druck auf den Online-Dienst ausübte. Aber auch unter Donald Trump war die US-Regierung keineswegs untätig. Beide Administrationen drängten Twitter und andere Social-Media-Plattformen, Informationen zu sperren, die nicht in ihren Narrativ passten, und andere hervorzuheben, die auf ihrer Linie waren. Oft haben die Verantwortlichen von Twitter den Forderungen nachgegeben.

Bidens Administration wollte sämtliche Twitter-Konten sperren lassen.APA/AFP/SAUL LOEB

Der unabhängige Journalist David Zweig veröffentlichte in 40 Tweets seinen umfassenden Bericht mit dem Titel: „Wie Twitter die Covid-Debatte manipulierte“. Der Report basiert auf internen Twitter-Dateien, die Zweig geprüft hat. Elon Musk hatte zuvor eine Reihe von Berichten, die sich auf interne Twitter-Dokumente stützen, ausgewählten Journalisten zur Verfügung gestellt.

Bidens Team „sehr verärgert“, weil Twitter einige Konten nicht löschte

Zu Beginn der Pandemie forderte die Trump-Administration Tech-Unternehmen auf, „Fehlinformationen“ über „Anstürme auf Lebensmittelgeschäfte“ zu bekämpfen, berichtete Zweig. „Aber“, so Zweig, „es gab einen Ansturm auf Lebensmittelgeschäfte.“ Es handelte sich nicht um Fehlinformationen, sondern um ein echtes Phänomen, das die Trump-Administration nicht in den Vordergrund rücken wollte.

Als Joe Biden das Amt des Präsidenten übernahm, war seine Regierung besorgt über „Anti-Impf-Accounts“ und insbesondere über den Account des Journalisten Alex Berenson. Dessen Twitter-Konto wurde wenige Stunden nach Bidens Behauptung, dass Social-Media-Unternehmen „Menschen töten“, weil sie Fehlinformationen über Impfstoffe zulassen, gesperrt. Berenson verklagte später Twitter und einigte sich schließlich mit der Online-Plattform.

Der ehemalige Reporter der New York Times wurde von Twitter länger als ein Jahr gesperrt.Paul Hennessy/SOPA Images/LightRocket via Getty Images

Bidens Team war „sehr verärgert“ darüber, dass Twitter nicht aggressiver bei der Entfernung von Konten vorgegangen war, die es nicht guthieß, berichtet Zweig.

Mehrere Fälle von Experten, die zu Unrecht gesperrt wurden

Auch wenn die Mitarbeiter von Twitter intern differenzierter über sämtliche Fälle diskutiert haben, als die Regierung: Twitter unterdrückte Ansichten, einschließlich der Ansichten von Ärzten und wissenschaftlichen Experten, deren Meinungen „im Widerspruch zur offiziellen Position des Weißen Hauses standen“, „von den Covid-Richtlinien abwichen“ oder „konträr, aber wahr“ waren.

Das gilt etwa für die Tweets von Dr. Martin Kulldorff, einem Epidemiologen der Harvard Medical School: Kulldorff widersprach oft den US-Gesundheitsbehörden und den amerikanischen Linken. Einer seiner Tweets über Impfstoffe wurde von einem Moderator als „falsche Information“ gekennzeichnet, obwohl es sich im Wesentlichen um eine Expertenmeinung handelte, die mit der Impfpolitik in mehreren anderen Ländern übereinstimmte. Sein „Vergehen“; Er wich von den Covid -Richtlinien ab.

Einige von Martin Kulldorffs Tweets waren nicht erwünscht.Wiki Commons/Thérèse Soukar

Andrew Bostom, ein Arzt aus Rhode Island, wurde dauerhaft von Twitter gesperrt, weil er vermeintliche Fehlinformationen verbreitet hatte, darunter einen Tweet, der sich auf die Ergebnisse einer von Experten begutachteten Studie über mRNA-Impfstoffe bezog. Nachdem Bostoms Anwalt Twitter kontaktiert hatte, ergab eine interne Prüfung: Nur einer von fünf angeblichen Verstößen  war auch tatsächlich einer. Und das nur deshalb, weil er „Daten zitierte, die zwar legitim waren, aber dem Narrativ des öffentlichen Gesundheitsestablishments über die Risiken von Grippe im Vergleich zu Covid bei Kindern nicht entsprachen“.

Ein Großteil der Inhaltsmoderation bei Twitter wird gemäß dem Bericht von Bots (Computerprogrammen) durchgeführt, die in maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz geschult wurden.

Was den Covid-Richtlinien widersprach, sollte zensiert werden.Rafael Henrique/SOPA Images/LightRocket via Getty Images

Twitters Chefjurist wollte Trumps Tweet blockieren, weil er zu optimistisch war

Wir voreingenommen einige Twitter-Chefs agierten, zeigt eine besonders skurrile Episode rund um James Baker, ehemaliger Generalanwalt des FBI und stellvertretender Chefjurist bei Twitter. Elon Musk hat ihn in der Zwischenzeit gefeuert. Baker wollte im Oktober 2020 einen Tweet von Donald Trump blockieren. Nachdem der damalige US-Präsident an Covid erkrankt und dann aus dem Walter Reed Medical Center entlassen worden war, twitterte er zuversichtlich: „Haben Sie keine Angst vor Covid. Lassen Sie nicht zu, dass es Ihr Leben beherrscht.“

Baker fragte sich, warum diese Aussage nicht als Verstoß gegen die Twitter-Richtlinien gewertet wurde. Yoel Roth, der ehemalige Leiter der Abteilung für Vertrauen und Sicherheit bei Twitter, musste ihm erklären, dass Optimismus nicht als Fehlinformation gilt.