Seit ukrainische Streitkräfte Charkiw befreit haben, häufen sich Berichte über grausame Folterpraktiken. Überlebende sprechen von Elektroschocks, Exhumierungen und gewaltsamen Tötungen. “Folter war eine weit verbreitete Praxis in dem besetzten Gebiet”, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Videobotschaft.

Besatzer ließen bei Flucht Foltergeräte zurück

Mittlerweile seien mehr als zehn Folterkammern in verschiedenen Städten des befreiten Gebietes entdeckt worden, sagte Selenskyj. “Wir werden die Identitäten aller ermitteln, die gefoltert und misshandelt haben, die diese Grausamkeiten von Russland hier auf ukrainisches Gebiet gebracht haben.” Bei ihrer Flucht hätten die Besatzer Foltergeräte zurückgelassen. Ukrainische Behörden veröffentlichten Fotos, die Folterkammern und -geräte zeigen sollen.

Einige Leichen im Massengrab hatten Spuren von FolterAPA/AFP/Juan BARRETO

Verstörende Berichte

Maskierte, russische Soldaten hätten ihn aus seiner Zelle in einer Polizeistation in Isjum geholt, berichtet etwa der ukrainische Verleger Maksim Maksimov (50) dem “Guardian”. Dann sei er auf einen Bürosessel gesetzt und eine zickzackförmige Klemme an seinem Finger befestigt worden, über die er mit Elektroschocks gefoltert worden sei. “Ich brach zusammen. Ich hatte eine Kapuze auf dem Kopf, konnte nichts sehen. Meine Beine wurden taub”, erzählt er. “Dann taten sie es wieder. Ich wurde ohnmächtig. 40 Minuten später kam ich in meiner Zelle wieder zu mir.” Der Folterraum sei ein überdachter Schießstand gewesen, dessen Wände, wie er erst später herausfand, schallgedämpft waren.

Die russische Armee hatte die Polizeistation bereits im April 2022 eingenommen. Laut Maksimow nahmen die Soldaten jeden fest, der mutmaßlich pro-ukrainische Ansichten vertrat. Er war im besetzten Gebiet zurückgeblieben, um sich um seine alte Mutter zu kümmern.

Massengrab mit 443 Leichen, großteils Zivilisten

Am Stadtrand wurde ein Massengrab mit Kriegstoten von Isjum entdeckt. Ukrainische Gerichtsmediziner entdeckten 443 Leichen, darunter auch 17 ukrainische Soldaten. Die ersten 40 Leichen konnten am Freitag geborgen werden. Einigen soll wie in Bucha die Hände zusammengebunden gewesen sein. Am verwesten Arm einer Frau habe ein Armband in den ukrainischen Farben Blau und Gelb gehangen, steht in einem Bericht. Auch hier sollen die Leichen “Anzeichen von Folter” aufgewiesen haben, berichtet Yevhenii Yenin, stellvertretender Innenminister der Ukraine, gegenüber “yahoonews”».

Von einem zweiten "Massaker von Bucha" will der ukrainische Generalstaatsanwalt noch nicht sprechen.APA/AFP/Juan BARRETO

Ukrainische Beamten zufolge wurden  geben an, dass sie mindestens zehn Folterkammern in anderen kürzlich befreiten Städten Russland bestreitet seit Kriegsbeginn gezielte Angriffe auf die Zivilbevölkerung und weist alle Foltervorwürfe zurück.