“Derselben Gefahr wie in ihrem eigenen Land ausgesetzt” wähnen sich viele Migranten, die, oftmals von der Drogen- und Bandenkriminalität ihrer Heimat Südamerika vertrieben, in den USA Asyl beantragen wollen – daran aber durch eine Gesetzesregelung gehindert werden. Das Recht auf Asyl – das im internationalen Recht wie auch im US-Gesetz verankert ist – wird vielen aber verwehrt. Der Grund hierfür ist eine Regelung namens “Title 42” vom März 2020, aus der Amtszeit Donald Trumps als US-Präsident. Diese sieht vor, dass Migranten ohne Papiere an der Grenze sofort abgewiesen werden, ohne auch nur einen Asylantrag stellen zu können. Begründet wird das mit der Pandemie.

Seit Oktober 202 12.000 unbegleitete Migrantenkinder aufgegriffem

Unter Trumps Nachfolger Joe Biden hatte die Gesundheitsbehörde CDC angekündigt, die Regelung abzuschaffen. Ein Bundesrichter entschied jedoch kurz davor, dass Title 42 vorerst in Kraft bleiben muss. Unter anderem würde dessen Ende einzelnen Bundesstaaten irreparablen Schaden durch Gesundheits- und Bildungskosten aufbürden, hieß es. Die Biden-Regierung hatte sich auf einen großen Andrang an der Südgrenze eingestellt. Die Zahl der unerlaubten Grenzübertritte war in den vergangenen Monaten ohnehin rekordverdächtig hoch.

“Mit dieser politisch motivierten Entscheidung eines von Trump ernannten Richters wird Menschen weiterhin ihr legales und grundlegendes Recht verweigert, in den Vereinigten Staaten Asyl zu beantragen”, kommentiert Marielena Hincapié, Chefin des National Immigration Law Center, die Gerichtsentscheidung.

Seit Oktober 202 12.000 unbegleitete Migrantenkinder aufgegriffem

Dem National Immigration Forum zufolge hat es einen großen Anstieg von wiederholten, unerlaubten Grenzübertritten Einzelner gegeben, weil Title 42 dafür keine Strafe vorsehe. Das spiele Schleusern in die Karten. Nach einem Bericht des Senders CBS wurden ab Oktober 2020 in zwölf Monaten etwa 12.000 unbegleitete Migrantenkinder an der Grenze aufgegriffen, die zuvor – meist mit ihren Eltern – abgewiesen worden waren. Unbegleitete Minderjährige werden unter der Biden-Regierung aufgenommen. Republikaner werfen dem Präsidenten eine Politik offener Grenzen vor.

Angesichts der aktuellen Pandemie-Lage hält das US-Justizministerium Title 42 für nicht mehr gerechtfertigt. Viele Migranten sehen das ähnlich. “Das ist nicht Gesundheitspolitik, das ist Rassismus”, sagt ein haitianischer Redner bei einer Mahnwache für das Recht auf Asyl vor einem Grenzübergang in Tijuana. In der Ágape-Herberge sind laut Rentería alle dreifach geimpft.

Für Flüchtlinge aus der Ukraine gelten andere Regeln

Dass Title 42 in Kraft bleibt, ist für die Migranten auch deshalb schwer zu schlucken, weil sie sehen, dass für Ukrainer andere Regeln gelten. Tausende von ihnen sind vor dem Angriff Russlands zunächst nach Mexiko geflüchtet, um von dort in die USA zu gelangen – und werden reingelassen. Die USA wollen bis zu 100.000 Geflüchtete aus der Ukraine unter bestimmten Bedingungen aufnehmen.

Sie finde es ungerecht, dass Ukrainer in die USA dürften und Mittelamerikaner nicht, sagt die 28-jährige Key aus Honduras. Alle seien mit demselben Ziel gekommen: ihren Kindern eine bessere Zukunft zu bieten. Die studierte Buchhalterin ist nach eigenen Angaben mit ihrem Mann und den fünf und elf Jahre alten Söhnen vor Gewalt geflüchtet, nachdem zwei ihrer Cousins in Honduras ermordet wurden. Bei der fast fünf Monate langen Reise durch Mexiko habe die Familie Diskriminierung erfahren, auf der Erde geschlafen und tagelang nichts gegessen. Die Kinder seien dünn und depressiv geworden.