Straßen, die gepflastert sind mit Leichen, vor jedem Haus ein toter Bewohner, gefesselte Ukrainer, erschossen und in Hinterhöfen zurückgelassen, halbnackte Männer, blutig und mit klaren Spuren von Folter am Körper in Rohren abgelegt, junge Frauen, die im wahrsten Sinne des Wortes von ihren Rädern heruntergeschossen wurden, ihre feuerrot lackierten Fingernägel ein starker Kontrast im dunklen Matsch. Andere Körper liegen zwischen den Zapfsäulen einer Tankstelle, wieder andere, ebenfalls auf dem Rad, sitzen immer noch im Sattel als wären sie nur umgekippt – doch sie werden nie mehr aufstehen.

Abgetrennte Hände auf Straßenpfosten, halb zugeschaufelte Massengräber aus denen Kleidungsstücke, die Hände, Füße und Köpfe unschuldiger Zivilisten herausragen, daneben Schuhe und andere persönliche Gegenstände. Eine enthauptete alte Frau in einem zerstörten Auto, gefunden und betrauert vom ukrainischen Parlamentsabgeordneten Oleksiy Goncharenko, der gemeinsam mit anderen Freiwilligen die Straßen nach möglichen Überlebenden durchsucht und den Toten ihre letzte Ehre erweist – nein, das sind keine Bilder aus einem schrecklichen Alptraum, das ist Bucha.

Die Kleinstadt, ein kleiner, ehemals pittoresker Vorort von Kiew, direkt hinter Irpin, der vor eineinhalb Monaten noch voller Leben war, in dem 27.000 Menschen lebten und in dem noch im Februar 90 Airbnbs vermietet wurden, ist nun mit schrecklichen Szenen wie den beschriebenen – leider, leider wahr – ein Mahnmal und ein Zeuge für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine geworden.

Putins Krieg, so bezeichnen ihn viele Menschen, doch noch ein weiteres Wort wird nach der Entdeckung der Gräueltaten von Bucha und dem Abzug der russischen Truppen aus der Kleinstadt im Zusammenhang mit dem Krieg immer lauter, immer öfter verwendet: Genozid. Völkermord.

Ukrainische Frauen melden sich zu Wort

Während die Welt vor Trauer um die mindestens 300 getöteten Zivilisten in Bucha weint und die Reaktionen von Politikern eintrudeln, die von noch schärferen Sanktionen für Russland und noch mehr Hilfen für die Ukraine sprechen, werden in den sozialen Medien am Sonntag auch die Ukrainer immer lauter – und sie alle nehmen dasselbe Wort in den Mund.

“Das ist Völkermord. Das könnte ich sein”. Ein trauriger Trend greift um sich, bei dem Ukrainer – vor allem junge Frauen, denn die Männer sind entweder in der Schlacht oder bereits tot – Fotos von sich selbst auf Twitter hochladen und Bilder von Leichen aus den Straßen und Massengräbern Buchas gegenüberstellen und klarmachen: “Das bin ich, noch lebe ich – aber auch das daneben bin ich. Ich könnte schon tot sein, ein verlorenes Leben im Krieg. Wenn das nicht Völkermord ist, was dann?”