Millionen von Menschen sind auf der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine. Während die Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren kämpfen, suchen Frauen und Kinder in europäischen Ländern Schutz. Aufgrund ihrer misslichen Lage sind sie zur Zielscheibe verschiedener krimineller Gruppen geworden, die versuchen, sie für ihre schmutzige Arbeit auszunutzen.

Ein Gastbeitrag von Aurora Weiss

Gegenüber dem eXXpress weist Brigadier Gerald Tatzgern vom Bundeskriminalamt auf die Gefahr von Menschenhändlern hin. Vor allem Flüchtlinge aus der Ukraine seien gewarnt, darauf zu achten, wer ihnen die helfende Hand reicht. In ihrer schwachen Verfassung können sie leicht Opfer der Anwerbung zur Prostitution oder anderer Formen der Ausbeutung, wie etwa unbezahlter Arbeit, werden. Auch Organhandel ist nicht ausgeschlossen.

Der Leiter der Abteilung für die Bekämpfung von Schlepperei und Menschenhandel warnt, dass es als besonders gefährlicher Moment gilt, wenn die Flüchtlinge über die ukrainische Grenze in die Europäische Union kommen. Hier kann jede Spur von ihnen verloren gehen. Die Frauen kommen nach Polen, Ungarn oder Rumänien, wo ihnen große Hilfe signalisiert wird, und manche können diese Notwendigkeit der Hilfe als kriminellen Profit sehen.

Ukrainische Frauen in Hochzeitskatalogen

“Die Gefahr der Ausbeutung von Frauen und Mädchen aus der Ukraine hat bereits begonnen und wir versuchen sie jetzt zu informieren und zu sensibilisieren. Ukrainische Frauen waren dafür bekannt, in Hochzeitskatalogen zu stehen. Männer in Österreich sahen sich Bilder dieser Frauen an und fragten: ‘Was kostet es mich, sie zu heiraten?’ Dieser Weg war jedoch sehr unmenschlich, weil das Angebot vorsah, dass sie drei Nächte mit dem Mann verbringen musste und er dann entscheiden konnte, ob er weiter mit dieser Frau zusammenleben und sie heiraten will”, erzählt Tatzgern.

Frauen in Berlin demonstrieren zum Weltfrauentag gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution

Ukrainische Frauen seien schon immer im Fokus dieser Arbeit gestanden. Mit den Frauen und Mädchen, die vor dem Krieg fliehen, ist nun aber eine neue Situation hinzugekommen. Laut Brigadier Gerald Tatzgern ist die größte Herausforderung, dass sich diese Frauen in der EU frei bewegen können. Es gibt kein zentrales Registrierungszentrum für Flüchtlinge. In Österreich kommen die Frauen aus der Ukraine erst ins System, wenn sie sich anmelden. Dann werden ihre Fingerabdrücke abgenommen und eine Arbeitserlaubnis ausgestellt. Aber bis dahin ist die Situation für jene Frauen riskant.

Warnung vor "auffälligen Übernachtungsangeboten"

Die polnische Zeitung Gazeta Wyborcza berichtete vergangene Woche über deutschsprachige Männer, die Reisen nach Stuttgart angeboten hätten. Wie Helfende am Bahnhof Breslau berichteten, hätten die fünf Männer Transport sowie kostenlose Unterkunft den Frauen versprochen.

Jetzt haben Helfer auch an deutschen Bahnhöfen einschlägige Beobachtungen gemacht. Die Bundespolizei warnt Jugendliche und Frauen offensiv vor ”auffälligen Übernachtungsangeboten”.

Ausbeutung: Zwangsprostitution und unbezahlte Arbeit

Das auf Menschenhandel spezialisierte österreichische Bundeskriminalamt warnt vor der Rekrutierung von ukrainischen Frauen zur Prostitution. Während der Pandemie wurden die österreichischen Bordelle geschlossen und die Prostituierten organisierten ihr eigenes Geschäft. Jetzt, da die Bordelle wieder geöffnet sind, müssen die Kriminellen neues Personal finden. In der Kommunikation, die von der Kriminalpolizei zu diesem Thema überwacht wird, heißt es: “Es kommen Frauen aus der Ukraine, wir werden sicher jemanden finden, der für uns im Bordell arbeiten will.”

Wie groß der Bedarf ist, zeigt sich daran, dass die Bordellbesitzer in österreichischen Zeitungen Werbung aufgeben. Völlig absurd sind ein Inserat und der zugehörige Artikel aus der Kronen Zeitung: Bordellbesitzer Laskaris bietet Flüchtlingen aus der Ukraine die Unterbringung in seinen Bordellzimmern an. Der Titel des Artikels: “König der Rotlichter mit Herz für Flüchtlinge”. Wer sich für diese Unterkunft interessiert, kann sich an Ansprechpartner wie die Stadt Wien, das Rote Kreuz und die Diakonie wenden. Dies macht die Situation jedoch noch besorgniserregender, weil so Organisationen mit ihrem vertrauenswürdigen Image kriminellen Organisationen in die Hände spielen könnten.

Wenn Gastgeber zu Zwangsarbeit verdonnern

“Ich habe angeordnet, dass die Bordelle in ganz Österreich streng kontrolliert und ein besonders aufmerksamer Blick auf Frauen aus der Ukraine gesetzt wird. Es muss klar sein, ob sie das tun wollen oder dazu gezwungen werden”, bekräftigt Gerald Tatzgern.

Zwang in irgendeiner Form muss nicht sofort kommen. Nachdem sie jemanden aufgenommen und für ein Dach über dem Kopf gesorgt haben, können die Gastgeber Druck auf die Person machen: “Jetzt habe ich dich aufgenommen und sorge für dich, jetzt musst du etwas dafür tun und arbeiten.” Abgesehen von der Prostitution ist es auch möglich, Frauen als unbezahlte Arbeitskräfte auszubeuten, wie zum Beispiel als Reinigungkräfte oder als Pflegepersonal.

Neue Unterkunft wird zur Hölle

Alarmsituation: Der Hausbesitzer steht nackt vor Ihnen!

Aus Präventionsgründen sollten Frauen das Nummernschild des Autos, in dem sie sitzen, die Adresse, zu der sie fahren, die Person, mit der sie fahren, und den Gastgeber, bei dem sie unterkommen, dokumentieren. Diese Daten sollen sie zusammen mit Fotos an Bekannte schicken. Sie sollten sich auf keinen Fall isolieren, sondern mit Personen, die sie schon länger kennen, in Kontakt bleiben. Wenn sie etwas Verdächtiges bemerken, werden sie dringend gebeten, sofort die Polizei über die Hotline (24/7) zu kontaktieren:+43-677-61343434. Die Gespräche können auf Englisch oder Ukrainisch geführt werden. Dies muss nicht zu einer Anzeige führen, aber der Gastgeber wird darüber informiert, dass er unter der Beobachtung der österreichischen Kriminalpolizei steht.

Hotline für Opfer von Zwangsarbeit eingerichtetCARL DE SOUZA/AFP via Getty Images

Als Beispiel für die Alarmierung nannte Tatzgern ein paar Beispiele: Ein Hausbesitzer geht in Unterwäsche oder nackt rum. Wenn jemand etwas im Schilde führt, dann will er es versteckt, isoliert halten. Er zieht die Vorhänge zu und schließt die Tür ab. Wenn einer Frau das Telefon weggenommen wird oder die Kommunikation mit der Außenwelt verboten wird, dann sollten auf jeden Fall alle Alarmglocken läuten! Es sind auch ”gastgeber” die denken, sie können sich so ihre kleine Privatprostituierte zulegen: ”Für ein Bett und Essen kann ich dann auch Dankbarkeit erwarten”.

Je stärker traumatisiert, desto verletzlicher

“Frauen, die sich länger in Kriegsgebieten aufhalten, werden mit der Zeit zu einem leichteren Ziel”, sagt Tatzgern. Er hat nach eigenen Angaben alle Wiener Notschlafstellen und Registrierungszentren besucht und festgestellt, dass die Frauen, die derzeit ankommen, noch mobil und gepflegt sind. Sie sind nicht so traumatisiert und nehmen ihre Umgebung wahr. Sie können Gefahren noch erkennen und auf sie reagieren.

“Ich befürchte, dass es in Zukunft Frauen geben wird, die durch den Krieg noch viel stärker traumatisiert und noch verletzlicher sind, und dass es immer weniger Möglichkeiten der Aufnahme geben wird. Das kann leicht in Ausbeutung enden. Wir müssen in den nächsten Wochen besonders aufpassen”, fügt Gerald Tatzgern hinzu. Es ist bedauerlich, dass die Tragödie von Menschen, in diesem Fall die der Frauen und Kinder aus der Ukraine, vom kriminellen Milieu als Profitchance gesehen wird.