Nicht Anti-Kriegs-Aktivisten, sondern ehemalige US-Militärs und Geheimdienstmitarbeiter haben diese Anzeige unterzeichnet, die vom Eisenhower Media Network verfasst worden ist. Auch der ehemalige US-Botschafter in der Sowjetunion von 1987 bis 1991 Jack Matlock hat seine Unterschrift unter das Schreiben gesetzt.

Die Autoren kritisieren Joe Bidens (r.) Zusage gegenüber Wolodymyr Selenskyj (l.) scharf, weiterhin unbeschränkt Waffen an die Ukraine zu liefern.APA/AFP/UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE

„Nicht Russland bis zum letzten Ukrainer bekämpfen“

Die ranghohen Ex-Mitarbeiter im Ruhestand üben scharfe Kritik an der US-Politik in der Ukraine: „Wir können und wollen die Strategie, Russland bis zum letzten Ukrainer zu bekämpfen, nicht gutheißen.“ Und: „Wir halten Präsident Bidens Versprechen, die Ukraine ‚so lange wie nötig‘ zu unterstützen, für einen Freibrief zur Verfolgung unklarer und letztlich unerreichbarer Ziele.“ Die Zusage könnte sich als ebenso katastrophal erweisen, wie zuvor Putins Entscheidung für eine Invasion.

Die Waffenlieferungen müssten sofort eingestellt werden: „Die Lösung für diese schockierende Gewalt ist nicht mehr Waffen oder mehr Krieg mit der Garantie von weiterem Tod und Zerstörung.“

Es droht eine atomare Eskalation

Darüber hinaus fordern die Unterzeichner „als Amerikaner und nationale Sicherheitsexperten Präsident Biden und den Kongress auf, ihre volle Macht zu nutzen, um den Russland-Ukraine-Krieg auf diplomatischem Wege rasch zu beenden, insbesondere angesichts der großen Gefahren einer militärischen Eskalation, die außer Kontrolle geraten könnte.“

Die Anzeige in der „New York Times“ erinnert auch an die Worte des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy, der erklärt hatte: „Vor allem müssen die Atommächte bei der Verteidigung ihrer eigenen lebenswichtigen Interessen solche Konfrontationen vermeiden, die einen Gegner vor die Wahl stellen, entweder einen demütigenden Rückzug oder einen Atomkrieg zu führen. Ein solcher Kurs im Atomzeitalter wäre nur ein Beweis für den Bankrott unserer Politik – oder für einen kollektiven Todeswunsch für die Welt.“

1961: US-Präsident John F. Kennedy (r.) mit dem damaligen Ministerpräsidenten der Sowjetunion Nikita Sergejewitsch ChruschtschowAPA/AFP/EPU FILES

Einfühlungsvermögen gegenüber Russland kein Zeichen von Schwäche

Das Schreiben nimmt Wladimir Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nicht in Schutz. Der Ukraine-Krieg wird als „Katastrophe“ bezeichnet, deren „unmittelbare Ursache“ die Invasion von Präsident Putin ist. „Doch die Pläne und Maßnahmen zur Ausweitung der NATO bis an die Grenzen Russland schürten die russischen Ängste.“

Die Diplomatie habe im Vorfeld des Krieges „versagt“, nun sei sie „dringend erforderlich, um den russisch-ukrainischen Krieg zu beenden, bevor er die Ukraine zerstört und die Menschheit gefährdet.“ Die Autoren gehen auf die historisch begründeten Ängste Russlands ein, die zurückreichen bis in die Zeiten Karls XII. und Napoleons, und erwähnen auch die unterschiedlichen Sichtweisen auf die NATO-Osterweiterung. „In der Diplomatie muss man versuchen, mit strategischem Einfühlungsvermögen seine Gegner zu verstehen. Das ist keine Schwäche: Es ist Weisheit.“

Ignoranz gegenüber Russland unverständlich

Grund für NATO-Erweiterung seien auch Interessen der Waffenlobby gewesen. „Der Profit aus Waffenverkäufen war ein wichtiger Faktor.“ Dabei hatten noch im Jahr 1997 50 hochrangige US-Außenpolitikexperten Präsident Bill Clinton in einem offenen Brief geraten, die NATO nicht zu erweitern, und sprachen von einem „politischen Fehler historischen Ausmaßes.“

Unverständlich sei auch, dass die Warnungen des jetzigen CIA-Chefs William Burns vor einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine im Jahr 2008 – damals war Burns noch US-Botschafter in Russland – ignoriert worden sind.

Verständnislose NATO? Im Bild: NATO-General Jens Stoltenberg.

In der Zwischenzeit hätten die Russland bewiesen, dass sie ihre roten Linien in Georgien und Syrien mit Gewalt verteidigen. „Warum dies von der US- und NATO-Führung nicht verstanden wurde, ist unklar; Inkompetenz, Arroganz, Zynismus oder eine verräterische Mischung aus allen drei Faktoren dürften dazu beigetragen haben.“

Kein Versuch, Russlands Invasion gutzuheißen

Was die Autoren dezidiert ablehnen: Dass sich um Frieden bemühende Diplomaten für eine Seite entscheiden müssen, „in diesem Fall entweder Russland oder die Ukraine. Wenn wir uns für die Diplomatie entscheiden, wählen wir die Seite der Vernunft, der Menschlichkeit. Für den Frieden.“

Und: „Unser Versuch, die russische Sichtweise auf ihren Krieg zu verstehen, bedeutet weder, dass wir die Invasion und die Besetzung gutheißen, noch, dass die Russen keine andere Wahl hatten als diesen Krieg. Doch so wie Russland andere Optionen hatte, so hatten auch die USA und die NATO bis zu diesem Moment andere Möglichkeiten.“

Verständnis für Putins Invasion zu haben, bedeutet nicht, sie zu rechtfertigen, unterstreichen die Sicherheitschefs.APA/AFP/SPUTNIK/Alexey DANICHEV

Das Schreiben endet mit: „Lassen Sie uns Amerika zu einer Kraft des Friedens in der Welt machen.“