Amerikanische Geheimdienste helfen der ukrainischen Armee bei der Tötung russischer Generäle. Das berichtet die „New York Times“ unter Berufung auf ranghohe US-Militärs. Die USA würden demnach militärische Ziele zuerst lokalisieren – etwa die Standorte mobiler Hauptquartiere – und diese danach an die Ukraine weitergeben. Damit ließen sich einige erstaunliche Erfolge der ukrainischen Armee bisher erklären, wie die Tötung ranghoher russischer Militärs oder die Zerstörung wichtiger Waffen.

Man könnte dann von einem Kriegseintritt sprechen

Für den angesehenen deutschen Völkerrechtler Christian Tomuschat (85) wäre das eine einschneidende Wende im Ukraine-Krieg. „Sollten die Angaben zutreffen, wären die USA unmittelbar in das gewaltsame Geschehen mit einbezogen“, sagt er gegenüber der „Welt“. „In dem Fall könnte zumindest plausibel ein Kriegseintritt behauptet werden.“

Grundsätzlich wäre die Weitergabe militärischer Ziele völkerrechtlich zulässig und fiele unter das kollektive Verteidigungsrecht. „Aber wenn man unmittelbar an einem solchen Angriff beteiligt ist, wäre das Land nach meinem Dafürhalten insoweit auch Kriegspartei.“

Offiziell dementieren die USA

Offiziell wird der Bericht der „New York Times“ von den USA bisher dementiert. Die Sprecherin des National Security Council hat ihn zurückgewiesen. Unbestritten sind die Waffenlieferungen an die Ukraine sowie die Ausbildung ukrainischer Soldaten. Beides ist Tomuschat zufolge auch weit weniger gravierend, als die Weitergabe von Standort-Daten durch US-Geheimdienste.

„Die reine Lieferung von Waffen an Regierungsgegner bedeutet keinen Kriegseintritt“, sagt der Völkerrechtler. So habe der Internationale Gerichtshof 1986 bezüglich Nicaragua geurteilt, wo die USA die Contra-Guerilla mit Geld und Waffen beim Kampf gegen die sandinistische Regierung unterstützt haben. „Es handelte sich um keine Verletzung des Gewaltverbotes. Der Gerichtshof ging davon aus, dass nur eine unmittelbare Beteiligung am Kampfgeschehen als Kriegseintritt zu werten sei.“

Ausbildung von Soldaten in Deutschland kein Kriegseintritt

Gleiches gelte auch für die Ausbildung von Soldaten: „Wenn auf dem Territorium der Bundesrepublik ukrainische Soldaten an Waffensystemen geschult werden, damit diese Soldaten später in der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung ausüben können, bedeutet das nicht den Kriegseintritt des Ausbildungslandes.“

Zunächst habe die Ukraine ein individuelles Recht auf Selbstverteidigung. „Dieses Recht ist kollektiv. Kein Land, das der Ukraine zu Hilfe kommt, verstößt gegen das Völkerrecht. Die Länder, die die Ukraine mit militärischem Gut unterstützen, sind dazu ausdrücklich berechtigt.“