Drei Minuten zu spät trat Alexander Van der Bellen ans Rednerpult, hustet zunächst mal ins Mikrophon, begrüßte die Österreicher, die Österreicherinnen und alle, die in Österreich leben. Danach sprach er von den Chats und dem daraus resultierten Politik-Skandal in einer Metapher.

„Wir brauchen eine Generalsanierung“

Nachdem er erklärte, dass er diese fundamentale politische Unruhe so nicht hinnehmen kann und will, weil er versteht, dass sich dieser Tage viele Menschen mit Schaudern von der Politikabwenden, sagte der Bundespräsident:

„Die Chats, die letztes Jahr begannen in die Öffentlichkeit zu tropfen, haben sich zu einem sichtbaren Wasserschaden entwickelt. Begonnen hat es mit einem nassen Fleck, aber mittlerweile hat sich dieser Wasserschaden die Substanz des Gebäudes erreicht. Und es wird immer klarer, dass dieser Schaden mit ein paar Farbtupfern hier und da nicht zu beheben sein wird. Das, was zu dem Korruptionsfall in den letzten Tagen wieder öffentlich wurde, ist kein kleiner Wasserfleck. Es ist ein massiver Schaden, der an die Substanz unserer Demokratie geht. Wir brauchen eine Generalsanierung. Eine Sanierung der Substanz. Selbstverständlich ist es meine Pflicht, sicherzustellen, dass das auch passiert.“

Fataler Eindruck von Politik entstanden

In weiterer Folge prangerte er die Freunderlwirtschaft an, erklärte, dass er jede Form von Korruption zutiefst ablehnte und sprach der unabhängigen Justiz sein vollstes Vertrauen aus. Dann beklagte Van der Bellen, welch fürchterliches Sittenbild die Korruption abgäbe.

„Wenn Menschen in unserem Land auch nur den Eindruck bekommen, den Eindruck, dass man es sich richten kann, dass man einfach seine Steuerangelegenheiten einfach richten kann, wenn man nur reich genug ist, oder die richtigen Freunde hat, wenn nur der Eindruck entsteht, Politiker handeln zum Vorteil der eigenen Seilschaft, Verbündeten oder Vertrauten und auf Kosten der Gemeinschaft, dann muss es im größten Interesse des Bundeskanzlers und der verantwortlichen Regierungsmitglieder sein, diesen Eindruck zu entkräften“, so der Bundespräsident.

Es braucht Garantien für die Bürger

Bei all dem forderte er, „dass in den nächsten Wochen und Monaten Maßnahmen gesetzt werden, um die volle Handlungsfähigkeit aller politisch Verantwortlichen in diesem Land sicher zu stellen und um das Vertrauen in die Politik wieder herzustellen“. Auch die Rolle der eigenen Partei gelte es dabei zu hinterfragen. „Österreichs Bevölkerung braucht Garantien. Glaubwürdige Garantien, dass das, was sich in diesem Sittenbild angedeutet hat, nicht der Normalität entspricht. Diese Garantien, in welcher Form auch immer, glaubwürdig zu geben, ist die Bringschuld der Verantwortlichen.“

Van der Bellens Fazit: „In der Republik Österreich werden wir Korruption niemals akzeptieren und als Normalität hinnehmen. Ich verspreche Ihnen, dass ich keine Ruhe geben werde, bis wir uns von dieser Last befreit haben und das Vertrauen wieder hergestellt ist. Wenn Sie so wollen, bis dieser substanzielle Schaden am Gebäude Demokratie behoben ist.“

Kein Verständnis für Neuwahlen

Darauf angesprochen, ob Neuwahlen für ihn ein Thema wären, zeigte sich Alexander Van der Bellen verblüfft. Seine Verständnislosigkeit für diese Frage drückte er dann so aus: „Ganz ehrlich, ich verstehe nicht ganz, warum Neuwahlen eine Maßnahme in Zusammenhang mit der Situation sind, in der wir uns befinden. Aber das ist Angelegenheit des Parlaments mit einer Mehrheit Neuwahlen zu beschließen.“ Das ist nicht meine Aufgabe. Die Ablehnung zu diesem Thema kommt nicht überraschend, zumal die Chancen der Grünen nach Neuwahlen wieder in die Regierung zu kommen eher gering sind.