Nicht frei von Spannungen ist das Verhältnis zwischen der Ukraine und Deutschland seit Beginn der Invasion, etwa weil Deutschland nur zögerlich Waffen in das Kriegsgebiet sende, wie Wolodymyr Selenskyj mehrfach kritisierte. Doch was nicht ist, kann ja noch werden, Berlin und Kiew könnten durchaus noch gute Freunde werden, sofern Kanzler Olaf Scholz dem Drängen des ukrainischen Präsidenten nach mehr Hilfe nachkommt. Was das konkret bedeutet, erklärte nun Selenskyjs Wirtschaftsberater Alexander Rodnyansky gegenüber Zeitungen der „Funke Mediengruppe“.

EU soll insgesamt zwei Milliarden Dollar pro Monat beisteuern

Die Ukraine erwarte beträchtliche Finanzhilfen von der EU, um den Staat in Kriegszeiten finanzieren zu können, erklärte er. Alleine Deutschland könnte 500 Millionen Dollar beisteuern – im Monat. Das wären umgerechnet sechs Milliarden Euro pro Jahr. Kiew ist überzeugt: Berlin ist dazu durchaus in der Lage. Wenn das die Größenordnungen sind, müsste dann Österreich immerhin 50 Millionen Euro pro Monat beisteuern – umgerechnet 600 Millionen Euro im Jahr.

Selenskyjs Wirtschaftsberater Alexander Rodnyansky ist überzeugt: Sechs Milliarden Euro im Jahr an die Ukraine sind für Deutschland machbar.APA/AFP/Fabrice COFFRINI

„Wir brauchen jeden Monat vier bis fünf Milliarden Dollar für unseren Haushalt“, sagte Alexander Rodnyansky. „Wir glauben, dass Deutschland etwa 500 Millionen Dollar pro Monat übernehmen könnte, vor allem mit Blick auf das Jahr 2023. Von der EU insgesamt erhoffen wir uns rund zwei Milliarden Dollar pro Monat. Der Staat muss funktionieren, die Renten müssen ausgezahlt werden.“

Soforthilfe: Dieselgeneratoren oder mobile Kraftwerke

Der Wirtschaftsberater erwähnt auch die jüngsten Zerstörungen des Krieges: „Vor den neuesten Angriffen wurden die Schäden für die Zerstörung der Infrastruktur auf rund 120 Milliarden Dollar geschätzt.“ Die Schäden für die Wirtschaft – Unternehmensschließungen, Arbeitslosigkeit – betrügen nach Berechnungen der Weltbank etwa 200 bis 250 Milliarden Dollar. „Das Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr laut Prognosen um rund 35 Prozent einbrechen.“

An Soforthilfe für die Ukraine erhofft sich Rodnyansky vom Westen Dieselgeneratoren, Notstromgeneratoren oder mobile Kraftwerke.

Aufwändiger Wiederaufbau nach dem Krieg geplant

Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatten am Montag darüber hinaus einen Marshallplan für die Ukraine nach dem Krieg gefordert. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal hatte am Montag den Finanzbedarf für den Wiederaufbau auf 750 Milliarden Dollar beziffert. Bundeskanzler Olaf Scholz zufolge muss dabei bedacht werden, dass das Land künftig EU-Mitglied sein soll.

Die EU hat bereits in der Vergangenheit die Ukraine unterstützt. Allerdings hat der EU-Rechnungshofbericht im September 2021 mit scharfen Worten die hohe Korruption im Land kritisiert – der eXXpress berichtete: „Die Korruption rührt hauptsächlich von Oligarchen und Interessengruppen in der Ukraine her, die für die Rechtsstaatlichkeit und die wirtschaftliche Entwicklung im Land das Haupthindernis darstellen“, heißt es darin.

Betreffend den Wiederaufbau der Ukraine erklärte Rodnyansky: „Wir erhoffen uns eine bessere Koordinierung mit den westlichen Partnern, damit wir uns auf einen Plan einigen können“. Es gehe aber auch um die konkrete Strategie für den Wiederaufbau. „Wir müssen klären, welche Industrien wir fördern sollten“, sagte der Berater.