Zwar ist Hofburg-Kandidat Tassilo Wallentin nicht annähernd so exzentrisch in seinem Auftreten wie etwa Kontrahent Gerald Grosz, doch in der Wortwahl ist er noch schärfer, wenn es um den amtierenden Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen geht. Dieser sei “hilflos” und “amtsmüde”, meinte Wallentin am Donnerstagabend auf ORF 1, wo alle Bundespräsidentenkandidaten von den TV-Moderatoren Susanne Schnabl und Armin Wolf interviewt wurden. Dass Van der Bellen der politischen Auseinandersetzung mit den anderen Kandidaten ausweiche, zeige, dass er keine Diskussion durchhalten kann. Und: “Jeder andere Kandidat ist besser.”

Wallentin: Polit-Betrieb ist "ziemlich dümmlich"

Ein weiteres Mal unterstrich der ehemalige Krone-Kolumnist und Rechtsanwalt: Er komme “von außen”, sei “unabhängig”, und wolle das Polit-System aufbrechen. Für die jetzigen Probleme gebe es einfache Lösungen, nur damit sie umgesetzt werden, “müssen Sie mich wählen”. Im Übrigen sei der Polit-Betrieb “ziemlich dümmlich”, ein “Manko, wenn man hier sozialisiert ist”.

Alexander Van der BellenORF 1

Van der Bellen hat Wallentin schon einmal als möglichen Richter am Verfassungsgerichtshof (VfGH) verhindert. “Dazu möchte ich nichts sagen”, erklärte der Bundespräsident, der sich ein zweites Mal um das höchste Amt im Staat bewirbt. “Ich habe versucht diskret vorzugehen und niemanden in der Öffentlichkeit bloßzustellen.” Unter Türkis-Blau hatte die FPÖ versucht Tassilo Wallentin als VfGH-Richter in Stellung zu bringen, Van der Bellen hat aber damals der FPÖ im Vorfeld nahegelegt, Wallentin erst gar nicht vorzuschlagen. Das deutet er am Abend im ORF an.

Rosenkranz: "Möglicherweise implodiert die EU ganz von selbst"

Scharfe Kritik an Van der Bellen, der jetzigen Regierung und der EU üben – ähnlich wie Wallentin – auch die übrigen Herausforderer. Allerdings kreisen die Gespräche um unterschiedliche Themen. Grosz kritisiert vor allem die Wirtschaftssanktionen, Wallentin bringt scharfe Vorwürfe gegen die Europäische Zentralbank (EZB) wegen der hohen Inflation vor, Walter Rosenkranz (FPÖ) spricht unter anderem über die EU. Er wolle keine sofortige Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft, wünsche sich aber ein “Europa der Vaterländer, und das kommt uns leider abhanden”.

Walter RosenkranzORF 1

Wenig optimistisch ist der freiheitliche Spitzenkandidat mit Blick auf die Zukunft: “Möglicherweise implodiert die EU ganz von selbst.” Dann sei es besser, “die Titanic mit dem Rettungsboot zu verlassen”, bevor sie auf den Eisberg kracht.

Grosz: Meine Wortwahl ist vergleichsweise harmlos

Um den politischen Stil kreist unter anderem das Gespräch mit Gerald Grosz, auch weil dieser die Regierung schon einmal als “hirntot”, “Primaten” und “Sammlung von Wahnsinnigen” bezeichnet hat. Der ehemalige Wegbereiter Jörg Heiders, der mit diesem auch zum BZÖ gewechselt ist, hält das alles für harmlos im Vergleich zu einigen Aussagen des jetzigen Bundespräsidenten, der etwa allen Frauen und Männern empfohlen hat, das Kopftuch zu tragen.

Gerald Grosz

Im Gegensatz zu Rosenkranz fordert Grosz eine sofortige Volksabstimmung über den EU-Austritt und will die Regierung auf jeden Fall entlassen.

Corona, fehlende Volksnähe und die Tücken von Me-Too

Ebenfalls die Regierung entlassen, will der Anwalt Michael Brunner von der Partei MFG: “Das ist die beste Entscheidung, die ein Bundespräsident treffen kann, um das Chaos zu beenden.” Er begründet das mit den zahlreichen vom VfGH aufgehobenen Entscheidungen der jetzigen Regierung. “Die gesamte Coronapolitik hat sich gegen die Grundrechte gerichtet.” Dass er eine Präsidialdemokratie wünscht und dem österreichischen Rechtsstaat grundsätzlich misstraut, bestritt Brunner. Viel besser sei die Lage allerdings in Russland auch, denn obwohl Regierungsbeschlüsse bei uns auch aufgehoben würden, hätte das in der Corona-Pandemie nichts geändert, weil laufen weitere verfassungswidrige Entscheidungen gefällt worden seien.

Michael BrunnerORF 1

Die fehlende Volksnähe in der Politik beklagt Marco Pogo alias Michael Wlazny von der Bierpartei. Es brauche zu vielen Themen einen breiten Diskurs, etwa wenn es um die jetzigen Bedrohungslagen geht und um die Neutralität, die Pogo befürwortet – “Gut, dass Österreich neutral ist”.

Michael Wlazny

Der oberösterreichische Schuhunternehmer Heinrich Staudinger hält eine Erhöhung des Budgets für das Bundesheer für “pervers”. Zwar will er das Bundesheer nicht ganz abschaffen, wünscht sich aber eine “aktive Friedenspolitik” von ihm. Dass die Me-Too-Bewegung eine Erfindung des CIA sei – diesen Satz, den er auf PulsTV sagte, den habe er “100 Mal bereut”, ohne klarzulegen, ob er nun falsch ist oder nicht. Fakt ist: Man soll zu einem “halbwegs entspannten Umgang zwischen den Geschlechtern zurückkehren.”

Heinrich Staudinger