Diverse Medien, die über ein Antreten des Ex-“Krone”-Kolumnisten und Anwalts Tassilo Wallentin für die FPÖ spekulierten, kannten absolut nicht die aktuelle innenpolitische Situation: Seit dem Juristen von den damaligen FPÖ-Regierungspartnern der Job als Verfassungsrichter verwehrt worden ist, kritisierte dieser die Freiheitlichen scharf – und zwar mit vielen Beiträgen. Ein Zusammenhang der Kritik mit dem Njet zum Richter-Job wurde und wird immer dementiert.

Und jetzt könnte der eben präsentierte Hofburg-Kandidat den Freiheitlichen so richtig eins auswischen: Mit Wallentin fischen bereits vier Präsidentschafts-Kandidaten im Rechts-/Mitterechts-Lager nach Stimmen – Walter Rosenkranz, der FPÖ-Kandidat, dazu der Ex-BZÖ-Funktionär und oe24-Kolumnist Gerald Grosz, sowie MFG-Chef Michael Brunner. Damit ist klar: Das gesamte nicht-linke Wählerpotential teilt sich auf vier Kandidaten auf. Bei der Wahl könnte somit passieren, dass keiner der vier eher rechtslastigen Kandidaten auf mehr als 20 % kommt. Ds wiederum wäre – nach dem großen Erfolg von Norbert Hofer 2016 – eine bittere Niederlage für die FPÖ.

Ein Scheitern "seines" Kandidaten Rosenkranz würde Kickl als FPÖ-Parteichef untragbar machen.

Versagt Rosenkranz, muss Kickl gehen

Besonders heftige Folgen könnte dieser Wahlausgang dann für Herbert Kickl haben: Der FPÖ-Chef, der seit dem Bekanntwerden der Anzeigen-Konvolute gegen die eigenen Parteifreunde auf dem PC seines Sicherheitssprechers Hans-Jörg Jenewein keine Beliebtheitswettbewerbe mehr bei mehreren FPÖ-Landesorganisationen gewinnen wird,  hätte diese Niederlage seines Kandidaten Rosenkranz allein zu verantworten – schließlich machte Kickl die Kandidaten-Kür ja auch medial zur “Chefsache”.

Somit ist die Tassilo-Wallentin-Strategie klar: Private Geldgeber finanzieren den millionenteuren Wahlkampf des Ex-“Krone”-Mitarbeiters, damit Herbert Kickl in wenigen Wochen die erste Reihe der Innenpolitik verlassen muss. Damit könnten zwei Ziele erreicht werden: Die FPÖ, die derzeit bei Umfragen stark ist, wird geschwächt. Und die FPÖ ist ohne Kickl dann wieder ein möglicher Koalitionspartner für die ÖVP – FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp oder der Welser Bürgermeister Andreas Rabl würden als Regierungspartner und Vize-Kanzler wesentlich vertretbarer sein als der jetzige, sehr konfliktfreudige FPÖ-Chef, der seinen Abschuss als Innenminister der ganzen ÖVP-Spitze nie verzeihen wird.

Rechtslastiger Kandidat schadet anderen rechten Kandidaten

Und noch ein positiver Effekt würde ein Mini-Erfolg von Wallentin mit zehn oder 20 % bringen: Der jetzige Bundespräsident Alexander Van der Bellen (78) müsste nicht mehr in eine Stichwahl und hätte sicher seine zweite Amtszeit – trotz seiner Verweigerung der TV-Duelle, trotz seiner aktuellen Beschimpfung vieler Österreicher als “Kollaborateure”, trotz seines Schweigens zum dann ohnehin zurückgezogenen Impfpflicht-Gesetz und trotz seiner Untätigkeit bei handfesten Skandalen grüner Ministerinnen.

Und der Ex-“Krone”-Mitarbeiter und Freund des “Krone”-Herausgebers könnte mit einem auch nur bescheidenem Wahlerfolg so nebenbei dem Massenblatt einen weiteren Erfolg im seit Mai 2019 ausgerufenem Kampf gegen die FPÖ liefern, wenn Rosenkranz aufgrund des Antretens von Wallentin nicht in die Stichwahl käme.

Die Tassilo-Wallentin-Strategie ist somit ziemlich gut geplant – der rechtslastige Kandidat, der als “Friendly Fire” das rechte Lager schädigen soll, könnte nur noch über seine etwas turbulente Vergangenheit und seine Erwähnung im Ibiza-Video stolpern.