Noch im Oktober 2022, inmitten der Energiekrise, forderten Europaabgeordnete alle 60 Kilometer Ladestationen für E-Autos. Dies sei nötig, um klimaneutral zu werden. Darüber hinaus brauche es alle 100 Kilometer eine Wasserstofftankstelle. Soweit die Wünsche aus Brüssel und Straßburg.

Drei Monate später warnt der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller (51): Durch die steigende Zahl privater Elektroauto-Ladestationen und strombetriebener Wärmepumpen droht eine Überlastung des Stromnetzes in Deutschland. „Wenn weiterhin sehr viele neue Wärmepumpen und Ladestationen installiert werden, dann sind Überlastungsprobleme und lokale Stromausfälle im Verteilnetz zu befürchten, falls wir nicht handeln“, sagte Müller der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Klaus Müller warnt angesichts der vielen Ladestationen vor Stromausfällen.APA/AFP/Tobias SCHWARZ

Haushalte sollen weniger Strom für Ladestationen bekommen

Von Wirtschaftsminister Robert Habeck (53, Grüne) war Müller beauftragt worden, sich mit dem Stromnetz-Problem zu befassen. Mittlerweile hat die Netzagentur ein Eckpunktepapier veröffentlicht. Es sieht in Zeiten hoher Netzauslastung eine temporäre Stromrationierung für Wärmepumpen und Elektroauto-Ladestationen vor.

Betroffene Haushalte bekämen zwar weiterhin Strom für ihre Ladestationen, aber deutlich weniger, damit das Netz nicht überlastet wird. Die Netzbetreiber würden demnach zwangsweise und zentral koordiniert die Stromversorgung der Anlagen drosseln. Ab 1. Jänner 2024 sollen die Pläne zur Stromrationierung in Kraft treten.

Das Stromnetz könnte durch die vielen Ladestationen für E-Autos überfordert werden.Waldo Swiegers/Bloomberg

Ganz von der Stromversorgung getrennt werden sollen die Heizungen und Ladegeräte in kritischen Phasen jedoch nicht, sagte Müller. „Wir wollen eine Mindestversorgung jederzeit garantieren.“ Die Kapazität soll reichen, um bei einem E-Auto in drei Stunden 50 Kilometer Reichweite aufzuladen.

Auto-Industrie warnt: Es droht ein hoher Verlust an Komfort

Die Kritik aus der Auto-Industrie ließ dennoch nicht lange auf sich warten. Ein wichtiges Ziel müssten kürzere Ladezeiten sein. Je schneller ein Auto seine Batterie laden kann, desto leichter fällt Interessenten der Umstieg vom Benziner oder Diesel auf ein Stromauto, unterstreicht sagte Hildegard Müller (55), Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie. Dafür sei primär eine zuverlässige und starke Ladeinfrastruktur nötig. „Wenn das Laden zu Hause nur eingeschränkt möglich wäre, würden erhebliche Komforteinbußen drohen.“