Wer hätte gedacht, dass das einmal in Deutschland passieren würde? Nun wird in zahlreichen Wahlbezirken der deutschen Hauptstadt Berlin tatsächlich die Bundestagswahl wiederholt. Der Grund: Eine Reihe von Pannen beim Urnengang im September 2021. Die Berliner Wähler sollen jetzt in jenen Wahlbezirken erneut zu den Wahlurnen gehen, in denen die Stimmabgabe 2021 aufgrund von Wahlfehlern unterbrochen wurde, in denen es erhebliche Verzögerungen gab oder in denen Wähler wegen fehlender oder falscher Wahlzettel nicht gültig abstimmen konnten. Wiederholt wird auch in jenen Wahlsprengeln, in denen die Wahllokale noch nach 18.30 Uhr geöffnet waren.

Die Wahlwiederholung wurde vom Bundestag am späten Donnerstagabend mit den Stimmen der Rgierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP beschlossen, nachdem der deutsche Wahlprüfungsausschuss eine entsprechende Empfehlung abgegeben hatte. Für CDU/CSU und die AfD ging das aber nicht weit genug. Die Oppositionsfraktionen wünschten sich eine Wiederholung in wesentlich mehr Wahlbezirken.

Betroffen sind 327 der 2256 Wahlbezirke von Berlin sowie 104 der 1507 Briefwahlbezirke. Unklar ist noch, wann die Teilwiederholung der Wahl stattfinden wird. Beobachter gehen davon aus, dass der Beschluss vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten wird. Wann dieses dann entscheidet, ist offen. Unklar sind auch die Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundestags. Sollte die Wahlbeteiligung bei der Teilwiederholung niedrig sein, könnte dies zur Folge haben, dass weniger Abgeordnete aus Berlin im Bundestag vertreten sein werden.

Wegen der Wahlwiederholung könnten weniger Abgeordnete aus Berlin im Bundestag vertreten seinQuelle: dpa

Kritik der Opposition: Regierungskoalition hat Angst vor Mandatsverlusten

Die Bundestagswahl am 26. September 2021 war in vielen Berliner Wahllokalen chaotisch verlaufen. Es gab lange Schlangen und Wartezeiten, falsche oder fehlende Stimmzettel, weshalb Wahllokale sogar vorübergehend geschlossen werden mussten. Vielerorts blieben die Wahllokale bis weit nach 18 Uhr geöffnet, um den Wartenden noch die Stimmabgabe zu ermöglichen.

Die Verwaltung war heillos überfordert, weil parallel zum Bundestag auch das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt wurden. Hinzu kam ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Auch der zeitgleich ausgetragene Berlin-Marathon erschwerte den Wahlhelfern die Arbeit, etwa das Nachliefern von Wahlzetteln, weil viele Straßen gesperrt waren.

Dass die Wahl “nur” in 431 Wahlbezirken wiederholt werden soll, stößt bei Teilen der Opposition auf Kritik. Der CDU-Obmann im Wahlprüfungsausschuss, Patrick Schnieder, warf der Regierungskoalition unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor, sich aus Angst vor Mandatsverlusten auf eine kosmetische Korrektur zu beschränken: „Sie rechnen das Fiasko klein.“