Džemal Šibljaković (Jahrgang 1991) ist erster islamischer Vollzeit-Gefängnisseelsorger der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Er betreut mehr als 550 muslimische Häftlinge in Wien und Korneuburg. Das hält ihn offensichtlich nicht davon ab, die derzeit laufenden Ermittlungen gegen mehr als hundert Beschuldigte wegen Terrorismus anzugreifen und diese sogar in einen rassistischen Kontext zu stellen – anscheinend, auch vor Häftlingen. Das legen Unterlagen nahe, die dem eXXpress vorliegen. Anfragen an Šibljaković blieben bisher unbeantwortet.

Besonders pikant: Šibljaković ist Mitarbeiter des Vereins TURN. Ein Mitglied im Team von TURN steht ebenfalls im Fokus der Ermittler: Es gehörte zu jenen 30 Personen, bei denen Anfang November im Rahmen der “Operation Luxor” Hausdurchsuchungen wegen Terror-Verdachts stattgefunden haben.

Terrorermittlungen als staatlicher Rassismus dargestellt

Die Ermittlungen, die auch Šibljaković kritisiert, richten sich gegen mutmaßliche Muslimbrüder und Hamas-Unterstützer – wegen Geldwäscherei, Terrorismusfinanzierung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Anfang November fanden deshalb Hausdurchsuchungen in insgesamt 60 Wohnungen und Häusern statt.

Das Vorgehen Österreichs gegen den politischen Islam, dem die Muslimbrüder zugerechnet werden, hat Šibljaković mehrfach kritisiert, etwa auf seiner Facebook-Seite, wo er “von einer Kriminalisierung muslimischer Bürger*innen” warnt. Wie er sich mit Gefängnisinsassen austauscht, dazu liefert ein Zoom-Meeting vom 22. März 2021 zumindest einen Einblick, zu dem die “Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus” mehrere Personen, darunter auch Šibljaković, eingeladen hat. Die “Operation Luxor” und das Anti-Terror-Paket waren Gegenstand des Meetings. Der Tenor: Operation Luxor und Anti-Terror-Paket sind beide islamfeindliche und rassistische Maßnahmen. Weder zu den Muslimbrüdern, noch zu ihrem palästinensischen Zweig, der als Terrororganisation eingestuften Hamas, fielen kritische Wortmeldungen. Šibljaković stimmte in den Chor der Kritiker ein, und kam auf seine Arbeit mit Häftlingen zu reden.

Brisantes Audio-File: Wie Šibljaković mit Häftlingen spricht

In einem dem eXXpress vorliegenden Audio-File erklärt Džemal Šibljaković, nachdem er zuerst über die Jugendarbeit gesprochen hat: “Was grundsätzlich von InsassInnen-Seite gekommen ist, wenn ich das so pauschal sagen kann, ist einfach die Sorge, dass so etwas möglich geworden ist, dass quasi so eine Aktion wie die Operation Luxor möglich geworden ist”. Diese Sorge nennt Šibljaković in einem Atemzug mit der sich bei den Häftlingen vermeintlich ausbreitenden “Angst vor diesen Schnellschussgesetzen, wo man einfach aus der Hüfte irgendwelche Gesetze hinaushaut. Und dann die Angst, inwiefern wird das mein ganzes Leben nachher beeinflussen, vor allem wenn man in einem Haft-Kontext ist, wo man sich ohnehin ohnmächtig fühlt, wo Ohnmacht ein ganz, ganz großer Teil des ganzen Lebens ist, wo fast jeder Teil des Lebens fremdbestimmt ist, kommt so eine Nachricht stärker gefühlt auf einen zu.”

Šibljaković erzählt den Häftlingen danach, wie man gegen solche Gesetzesvorhaben vorgehen kann, und damit auch beim Verfassungsgerichtshof erfolgreich sein kann. Den Rassismus-Vorwurf stellt er nicht in Abrede. Es ist eine schwerwiegende Frage: Nutzt Džemal Šibljaković seinen Kontakt mit Gefängnisinsassen, um gegen die von ihm abgelehnte Operation Luxor und die Anti-Terror-Maßnahmen der Regierung vorzugehen?

Verbundenheit mit ultrakonservativem Salafismus?

Šibljaković stammt aus Bosnien, hat Religionspädagogik studiert und einen Master in sozialer Arbeit. Personen aus seinem Umfeld, die mir Šibljaković noch vor wenigen Jahren Umgang hatten, berichten dem eXXpress von seiner ausgeprägt salafistischen Einstellung. Dass Šibljaković mit Salafisten  – und zwar bekannten – zumindest Umgang hat, belegen öffentlich zugängliche Informationen. Wie Šibljaković heute zum Salafismus und zu dessen Vertretern steht, konnte der eXXpress von ihm selbst nicht erfahren, da Anfragen bisher unbeantwortet blieben.

Kritik an "Operation Luxor“ richtet sich gegen die Justiz

An dem Zoom-Meeting nahmen mindestens sieben Personen teil, darunter auch Bernhard Gläser von der Bewährungshilfe “NEUSTART”. Der Verein hat gemeinsam mit dem Innenministerium das Projekt “Kompass” initiiert, um jenen zu helfen, die freiwillig aus einer extremistischen Szene und Ideologie aussteigen wollen. Gläser hat dabei eine führende Funktion. Auch Gläsers Haltung zu den Ermittlungen der Behörden wären von Interesse. Immerhin ist er bei “Kompass” beteiligt.

Die scharfe Kritik an der “Operation Luxor” als vermeintlich rassistisch, richtet sich letztlich vor allem  gegen die Staatsanwaltschaft Graz, von der die Hausdurchsuchungen angeordnet worden waren, und gegen das Innenministerium. Die Regierung war schließlich – wie auch sonst bei Hausdurchsuchungen – nicht involviert.