Die Energie-Märkte haben sich wieder beruhigt. Zuletzt waren die internationalen Gaspreise stark gesunken. Nun liegen sie auf dem Niveau vom Spätherbst 2021. Fast überall können daher auch die Verbraucher aufatmen. Die meisten Energie-Landesgesellschaften haben die Preise gesenkt – mit einer Ausnahme: Michael Ludwigs Wien Energie. Die Kunden des stadteigenen Unternehmens müssen horrende Preise zahlen, um 90 bis 125 Prozent mehr als im Vorjahr. Konkretes Beispiel: Statt 256,60 Euro im Jahr 2022 werden seit 2023 unglaubliche 579,60 Euro verrechnet – mehr als doppelt so viel.

Die Christgewerkschafter appellieren an Bürgermeister Michael Ludwig, die aktuellen Teilbeträge sofort an den neuen Gaspreis anzupassen.APA/EVA MANHART

„Alle senken die Preise, nur Wien Energie will noch Gewinne schöpfen“

Fritz Pöltl von der Fraktion christlicher Gewerkschafter in Wien ist empört. „Wer geglaubt hat, dass angesichts der aktuellen Gaspreise die einkassierten Teilbeträge von Wien Energie gesenkt werden, der irrt gewaltig“, kritisiert der Chef der FCG-ÖAAB-Fraktion in der Arbeiterkammer Wien. Wien Energie verlangt von den Kunden nach wie vor die im Vorjahr festgelegten Teilbeträge, zu einer Zeit, als die Gaspreise explodierten.

FCG-ÖAAB-Vorsitzender Fritz Pöltl: „Herr Bürgermeister, das grenzt an Wucher!“APA/ROBERT JAEGER

„Dass die Fernwärmekunden nun als Feigenblatt von den Gewinnen einen 80 Euro-Jahresrabatt erhalten sollen, ist ja wohl ein Treppenwitz. Alle senken schon die Preise, nur bei Wien Energie will man offenbar noch Gewinne schöpfen“, unterstreicht Pöltl. Dabei bescherte die Rekord-Teuerung der Wien Energie den saftigen Gewinn von beinahe 400 Millionen Euro im Vorjahr.

Wien-Energie-Chef: Unsere Kunden sind ein Jahr lang gebunden

Von einer „dubiosen Geschäftspolitik“ der Wiener Energie-Gesellschaft auf dem Rücken der Wiener spricht Pöltl. Disqualifiziert habe sich Michael Strebl, der Vorsitzende der Geschäftsführung von Wien Energie. Dabei verweist er auf ein Interview von Strebl, in dem dieser die hohen Preise damit rechtfertigt, dass „wir ja im September eine Bindungsaktion gemacht haben und sehr viele unserer Kunden ein Jahr lang gebunden sind!“

Wien-Energie-Gechäftsführer Michael Strebl verweist auf die Ein-Jahres-Bindung, auf die sich die Kunden eingelassen haben.APA/ROLAND SCHLAGER

Damit gibt der Wien-Energie-Chef den Kunden selbst die Schuld, sagt Fritz Pöltl. Darüber hinaus werde klar: „Die Kunden wurden von Wien Energie mit dem ‚günstigeren OPTIMA entspannt Tarif‘ in eine Falle gelockt. Während jetzt nämlich die Kilowattstunde Gas im Schnitt bei international nur noch 10,3 Cent liegt, verlangt Wien Energie von seinen Kunden immer noch den dreifachen Tarif, nämlich 31 Cent“.

Treue zahlt sich nicht aus: Neukunden bekommen Gas billiger

Dadurch entsteht eine bemerkenswerte Ungleichheit: „Neukunden bekommen das Gas unter der Bezeichnung ‚Optima entspannt‘ sogar um die Hälfte billiger. Nur die Altkunden, die dem Wiener Unternehmen treu geblieben sind, dürften die doppelten Teilbeträge blechen. Ein ganzes Jahr lang!“

Der Christgewerkschafter sieht Bürgermeister Michael Ludwig am Zug: „Das ist keine Geschäftspolitik, Herr Bürgermeister, das grenzt an Wucher! Die Kunden von Wien Energie sind doch keine Melkkühe“.