Während Deutschland seit Beginn der Ukraine-Invasion seine Abhängigkeit von russischem Gas nach und nach reduzieren konnte, hat sich in Österreich seither rein gar nichts geändert. Das wird auf Dauer nicht gut gehen, stellt Gerhard Roiss, ehemaliger Generaldirektor des Mineralölkonzerns OMV, in einem Interview fest. Allerdings nütze es nichts, wenn man – so wie Grünen-Klimaministerin Leonore Gewessler – nun auf Windräder setzt.

Ein Österreich ohne Gas, wie Gewessler meint, ist eine Illusion

Österreichs Gasversorgung muss gemäß Roiss auf jeden Fall gesichert bleiben, nur das „lässt sich nicht machen, wenn man sich zu 80 Prozent an einen Lieferanten bindet“, sagt er gegenüber dem Wochenmagazin „Profil“. Seit 2015 hat sich die OMV zunehmend in die Abhängigkeit Russlands begeben. Das müsse sich ändern. Nur: Vom Gas können wir uns auch nicht verabschieden, wie Roiss ebenso entschieden klarstellt: „Gas ist noch auf Jahre gesehen alternativlos. Selbst wenn die Haushalte, das Gewerbe und die Industrie ihren Verbrauch reduzieren, werden wir weiterhin davon abhängig sein.“

Die Worte sind umso pikanter, als Gewessler erst kürzlich bei einer Podiumsdiskussion zu den Elektrotagen im Wiener Rathaus allen Ernstes erklärt hat: „Ab 2030“ werde Österreich nur noch mit Strom aus Sonnenenergie, Wasser- und Windkraft versorgt – der eXXpress berichtete.

Kein Gas – keine Dünger, keine Ernte, kein Brot

Der Ex-OMV-Chef widerspricht dezidiert: „Zur Abhängigkeit von Gas an sich müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass wir einen Gaskonsum von 8,5 Milliarden Kubikmetern im Jahr nicht von heute auf morgen durch Windräder ersetzen können.“ Was ein Gas-Ausfall für Österreich bedeuten würde, macht Roiss auch klar – und das lässt an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig: „Fehlt das Gas, kann die Düngemittelindustrie keinen Dünger mehr erzeugen, können die Bauern nicht mehr wie gewohnt ernten, können viele Bäcker kein Brot mehr backen und und und.“

Österreichs Gasversorgung ist also nicht gesichert – und dann wartet der Ex-OMV-Chef mit der nächsten Hammer-Aussage auf: Niemand hat in Österreich den Auftrag, die Gasversorgung überhaupt sicherzustellen. Wie bitte? „Was uns fehlt, ist ein staatlicher Versorgungsauftrag, wie wir ihn beim Strom haben.“ Österreich ist von Strom und Gas gleichermaßen abhängig. Für Strom gibt es einen solchen Versorgungsauftrag, und der liegt bei der Verbund AG. Für Gas gibt es ihn nicht.

Verbund AG sollte den Auftrag für die Gasversorgung bekommen

Die überraschenden Lösungsvorschläge von Roiss: Nun sollte die Politik auch dem Verbund-Konzern einen staatlichen Gasversorgungsauftrag geben. Dann wäre die Versorgung mit beidem – Gas und Strom – bei einem einzigen Unternehmen gebündelt, das auch großteils in staatlicher Hand ist: „Wenn das Verbund-Management einen klaren staatlichen Auftrag bekommt, dann wird es – wie beim Strom auch – den Einkauf diversifizieren und das Risiko streuen. Gas zu verkaufen, ist die eine Sache, die Gasversorgung für eine Volkswirtschaft zu sichern, aber eine ganz andere.“

Das könnte folgendermaßen aussehen: „Der Verbund kauft von der OMV das sichere eigene Gas in Norwegen, dazu Leitungsrechte und Kapazitäten im Flüssiggasterminal in Rotterdam und diversifiziert darüber hinaus den Gasbezug über weitere Lieferanten.“

Die Politik soll für Transparenz sorgen – und die OMV privatisieren

Von Seiten der Politik brauche es – endlich! – Transparenz. Es gehe um ganz zentrale Fragen, wie: „Welche Gasmengen kann die OMV kurzfristig aus ihren eigenen norwegischen Feldern an die österreichischen Konsumenten liefern?“ Aber auch: „Welcher Lageraufbau ist im Sommer geplant? Es geht um Transparenz bei Zielmengen und Zeiträumen.“

Bleibt noch die Frage, was aus der OMV AG werden soll. Die sollte man privatisieren, meint Roiss – vollständig. „Die Republik Österreich braucht keine Beteiligung an einem Chemiekonzern, zu dem sich die OMV ja entwickeln will.“ Deshalb sollte sich der Staat rechtzeitig aus der OMV zurückziehen“. Der Zeitpunkt sei günstig: Die Öl- und Gaspreise sind hoch, so sind es auch die Bewertungen der Energiekonzerne. Wenn der Staat den Ausstieg aus der OMV intelligent plant, kann er in den kommenden drei, vier Jahren fünf Milliarden, mit etwas Geschick auch bis zu zehn Milliarden Euro lukrieren.“

Neue „Silicon Valleys“ könnten in Österreich entstehen

Darüber hinaus sollte die Regierung dieses Geld dann nicht in die eigene Tasche stecken. Der Erlös sollte Universitäten zukommen, die damit kleine „Silicon Valleys“ in Österreich finanzieren. „Die Universitäten sollen diese Innovationszonen für Start-ups selbst konzipieren und umsetzen. Wenn wir bei Gas und Strom von einem Versorgungsauftrag reden, dann sehe ich bei den Unis den Innovationsauftrag. Die Hochschulen haben die geistigen Kapazitäten, Lösungen für unsere Probleme anzubieten. Nicht die Politik.“

Bleibt nur noch die Frage, ob die Politiker zu dieser Einsicht fähig sind – oder besser gesagt bereit, das zuzugeben.